Das Wheel of Consent – Grundpfeiler unserer Arbeit

In diesem Blogartikel möchten wir das „Wheel of Consent“ vorstellen und begründen, warum es einen so bedeutenden Platz in unserer Arbeit einnimmt.
Das Wheel of Consent ist ein Tool, das tiefe Einblicke in die Dynamik von Einverständnis, Berührung und persönlichen Grenzen ermöglicht und obwohl wir hier keine umfassende Auseinandersetzung bieten können, möchten wir doch ein erstes Verständnis dafür vermitteln. Wenn du mehr über das Wheel of Consent erfahren möchtest, laden wir dich ein, es auf der Website von Betty Martin (der Erfinderin)zu entdecken.

Was ist das Wheel of Consent?

Das „Wheel of Consent“ (Rad der Einwilligung) ist ein Konzept, das von Betty Martin entwickelt wurde und oft in Bereichen der Körperarbeit, Therapie und persönlichen Entwicklung verwendet wird. Es bietet einen Rahmen für die Erforschung von Einverständnis, Berührung und persönlicher Grenzen. Das Rad basiert auf zwei grundlegenden Fragestellungen: Wer handelt? und Für wen ist das Geschenk? Daraus wiederum ergeben sich die vier Quadranten des Wheels, welches wir weiter unten als Chart veröffentlicht haben:

  • Dienen: Dies bezieht sich darauf, dass eine Person eine Handlung, sei es Berühren, Massieren oder eine andere Form der Interaktion im Auftrag oder zum Nutzen einer anderen Person ausführt. Sie gibt ein Geschenk.
  • Empfangen: Dies bezieht sich darauf, dass eine Person eine Handlung zu ihrem eigenen Nutzen empfängt, sei es Berühren, Massieren oder eine andere Form der Interaktion. Sie bekommt ein Geschenk.
  • Nehmen: Dies bezieht sich darauf, dass eine Person eine Handlung zu ihrem eigenen Nutzen und zum eigenen Wohlgefallen ausführt, sei es Berühren, Massieren oder eine andere Form der Interaktion. Sie bekommt ein Geschenk.
  • Erlauben: Dies bezieht sich darauf, dass eine Person einer Handlung zustimmt, die von einer anderen Person zu deren Nutzen und zu deren Wohlgefallen ausgeführt wird. Sie gibt ein Geschenk.

Darüberhinaus lädt die Arbeit mit dem Wheel ein spezifisches Ethisches Mindset ein, das Teil jeder Interaktion sein sollte. Dies ist symbolisiert durch den Kreis bzw. das Rad um die vier Quadranten herum, welches Consent (= Konsens/Zustimmung/Einwilligung) bedeutet. Nur Interaktionen, zu denen alle Beteiligten ausdrücklich „Ja“ gesagt haben, finden innerhalb des Rads statt. Die Einladung des Ethischen Mindsets ist:

  • Eigenverantwortung: Dies bezieht sich darauf, dass eine Person für ihre eigenen Handlungen verantwortlich ist und entscheidet, was sie tun bzw. erleben möchte und was nicht.
  • Fürsorge für den Anderen: Dies bezieht sich darauf, dass eine Person die Bedürfnisse und Grenzen einer anderen Person nicht nur berücksichtigt, sondern zu 100% respektiert.

Geschieht dies nicht, wird das Rad, die vereinbarte Übereinkunft  durchbrochen und die Akteur:innen fallen in die Schatten der jeweiligen Quadranten. Sie werden  beispielsweise zu Tätern, Türabtretern oder Schmarotzern. (Mehr dazu in der Chart s.u. – Ja, es ist sehr bildhafte Sprache, nur bringt sie gut auf den Punkt, was geschieht, wenn Menschen forcieren oder zulassen, dass Absprachen nicht eingehalten werden und das Rad durchbrochen wurde.)

Die Auseinandersetzung mit dem Wheel of Consent ermöglicht es Menschen, ihre eigenen Wünsche und Grenzen zu erkunden und zu kommunizieren, während sie auch die Bedürfnisse und Grenzen anderer respektieren. So fördert es ein tieferes Verständnis für Einverständnis, Autonomie und Respekt in zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere in Bereichen, die mit Berührung und körperlicher Nähe zu tun haben.

Das Wheel – ein Tool für Bodyworker:innen

Das Wheel of Consent wurde ursprünglich für Bodyworker:innen und ihre Arbeit entwickelt. Es ist im wesentlichen ein Tool, um ein Bewusstsein für verschiedene Qualitäten der Berührung zu schaffen (Dienen oder Nehmen? Empfangen oder Erlauben?) und die Klient:innen zu mehr Selbstbestimmung anzuregen. So reicht es beispielsweise nicht aus, wenn eine Massage als „okay“ empfunden und bezeichnet wird. Sie sollte sich immer richtig gut anfühlen, und nur die Klient:innen selbst können wissen, wann dies auch wirklich der Fall ist – jeder Körper hat eine einzigartige Reise hinter sich und reagiert anders. Leider arbeiten viele Massagetherapeut:innen eher mechanisch und ‚rocken ihre gelernten Massagegriffe runter‘, anstatt dem berührten Körper bewusst zu ‚lauschen‘ und zusätzlich Feedback einzuholen. Holen sie es ein, reicht es natürlich nicht aus, nur um das Feedback zu wissen, es wichtig – und leider gar nicht so einfach, es auch ernst zu nehmen und ihm wertschätzend und dankbar Folge zu leisten (und sich nicht beleidigt zu fühlen, weil eine (fachfremde!) Person die empfangene weltbewegende und einzigartige Berührungskunst nicht zu schätzen wusste.)

Das eigene Wohlbefinden ist nicht unwichtiger als das Wohlbefinden anderer!

Ein grundlegendes und wichtiges Geschenk des Wheels ist, Verständnis darüber zu erlangen, dass wir allein die Verantwortung für unseren Körper tragen und für uns selbst einstehen dürfen. Am Beispiel der Massagesituation bedeutet das, dass Klient:innen ein Recht dazu haben, solange um Änderungen und Anpassungen zu bitten, bis es sich wirklich stimmig für sie anfühlt. Es ist nicht ihre Aufgabe, sich um das das Ego der massierenden Person zu kümmern oder sich zu sorgen, zu viel zu verlangen. Allerdings ist es durchaus ihre Aufgabe, die Grenzen des:r Masseur:in zu wahren, wenn beispielsweise deren Kraft nicht ausreicht, um den gewünschten Druck lange aufrecht zu erhalten.
Dasselbe gilt für den privaten Rahmen. Wir können lernen, uns selbst mehr in den Mittelpunkt zu rücken (ohne gleichzeitig über andere Menschen hinwegzutrampeln). Wir können lernen, auf das zu hören, was für uns, unsere (berührenden) Begegnungen und unseren Lebensweg stimmig ist. Unser Körper fungiert dabei als wunderbarer Kompass, der uns ehrliche Signale sendet. Unser Körper lügt nicht.

Der Körper als Kompass

Es ist ein großes Geschenk, zunehmend deutlich zu erkennen, wie eindeutig die Signale sind, die unsere Körper uns senden: „Ja. Mehr. Nein. Stop!“ Wenn wir nicht auf ihn hören und seine Signale aus Höflichkeit, Bequemlichkeit oder der Angst, jemand anderen zu verletzen, ignorieren (lieber verletzen wir uns selbst), wird er fester, zieht sich zusammen, friert ein, wird taub. Je mehr wir jedoch auf ihn hören und seine Signale ernst nehmen, desto weicher und offener wird er und somit auch wir. Wir können wieder fühlen, uns hingeben und loslassen. Unser Körper kann endlich entspannen, er vertraut uns wieder und muss nicht ständig angespannt und wachsam sein, in Erwartung einer Grenzüberschreitung.
Was dann geschieht, ist wahrhaft magisch. Neue und intensivere Empfindungen beginnen spürbar zu werden und beschenken uns mit Glückszuständen. Das Wissen um die Klarheit und Deutlichkeit unserer „Neins.“ bringt (Entscheidungs-)Freiheit. Unsere „Jas“ erhalten, wenn ein „Nein“ möglich ist, viel mehr Kraft. Unsere „Jas“ fühlen sich so viel schöner an, wenn sie aus vollem Herzen kommen.

All das und noch viel mehr wurde uns erst durch die Begegnung mit Betty Martin und ihrer Arbeit wirklich bewusst. Ihre Workshops zum Wheel of Consent empfehlen wir von Herzen.

In unserer Variation der Kuscheltherapie „Kuschelsession – Dein Körper, dein Kompass“ gehen wir besonders diesem Aspekt nach.

Grundpfeiler unserer Arbeit im KuschelRaum

Wir streben danach, nicht nur Räume zu schaffen, in denen Menschen Berührung tanken und sich wohlfühlen können, sondern wir wollen auch Bildungsarbeit leisten, um sicherzustellen, dass Berührungserfahrungen immer sicher und wohltuend erlebt werden. Unser Ziel ist es, dass Menschen selbstbestimmt und achtsam miteinander umgehen; wir wollen dazu beitragen, eine Consent Kultur zu etablieren.
Das Wheel bietet hierfür klare Richtlinien, eine Struktur, die wir in ihrer Vielschichtigkeit nirgendwo sonst entdecken und erleben konnten. Es zeigt Dynamiken auf, schärft das Bewusstsein für Verhaltensweisen und bietet klare Handlungsleitlinien. Sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext erkennen wir durch das Wheel of Consent, dass unser eigenes Wohlbefinden genauso wichtig ist, wie das anderer. Es gilt nicht nur, deren Grenzen zu respektieren, es gilt auch, unsere eigenen Grenzen zu wahren und klare Kommunikation darüber zu pflegen. Dann können wir gemeinsam ein Umfeld schaffen, das von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägt ist. Die umfassende Auseinandersetzung, das Ausloten des Wheels führt tatsächlich zu Berührungskunst, zum Teilen, Schenken und Empfangen wunderschöner, berührender Momente – in Sicherheit.  Selbsterkenntnis, Selbstbestimmung, Selbstfürsorge, Selbstliebe und ein tiefer Respekt für das Wollen, Wünschen und Empfinden anderer sind die direkten Folgen.
Aus diesen Gründen ist das „Wheel of Consent“ zu einem festen Bestandteil unseres beruflichen und auch privaten Lebens geworden. Wir durften am eigenen Leib feststellen, wie bereichernd die Auseinandersetzung mit diesem Tool ist; es verändert ein Leben zum Besseren hin. Deshalb ist es uns eine große Freude, das Wissen und den Erfahrungsschatz, den wir mit Hilfe des Wheels in unsere Arbeit implementiert haben, an unsere Klient:innen, Teilnehmer:innen, Coachees und Auszubildenden weiterzugeben, auf dass es auch ihre Leben bereichere.

Das Wheel of Consent – eine persönliche Betrachtung

„Betty Martin hat mir die Augen geöffnet, und die Teilnahme an ihrem Workshop „Like a Pro“ hat meine Lebensreise in vielerlei Hinsicht beeinflusst. Meine Herangehensweise an Berührungssessions, mein Umgang mit mir und meinen Grenzen und mein Liebesleben haben sich drastisch und zum Besseren hin verändert.
Die Lernfelder sind immer noch beträchtlich, folgenschwer und facettenreich, und jede berührende Begegnung zeigt mir erneut, wo ich noch blinde Flecken habe, wo ich aus Bequemlichkeit nicht für meine eigenen Wünsche eintrete, die Verantwortung für den anderen übernehme oder meine ganz abgebe. Vor allem die Concious Cuddle Experiences – unsere Kuschelpartys – bieten hierfür einen klaren und sicheren Übungsraum und ich bin nach wie vor begeistert davon, wie viel sich durch das einfache, von Betty Martin inspirierte Regelwerk erfahren, lernen und üben lässt.
Doch auch außerhalb der Blase KuschelRaum wende ich das Wissen an, die Übertragung in den Alltag fällt leicht. Wenn beispielsweise ein Elternteil sein Kind auffordert, mich zu umarmen oder zu küssen, dann lehne ich mittlerweile dankend ab. Ich möchte nur dann berührt werden, wenn diese Berührung freiwillig und von sich aus gegeben wurde und ich möchte nicht dazu beitragen, dass ein Mensch (lernt), seine:ihre Grenzen zu übertreten. Ich glaube, dieses kleine Beispiel ist wichtig, denn Erziehen wir unsere Kinder dahingehen, aus falsch verstandener Höflichkeit ihren Körper einzusetzen, wird sich das falsch Erlernte der Kindheit nur zu oft fortsetzen und sie lassen dann auch im Erwachsenenalter Kontakte und Berührungen zu, die sich nicht wirklich stimmig anfühlen. (Der KuschelRaum ist voll von Menschen, die dies erst jetzt im Erwachsenenalter lernen.) Hören wir damit auf, unsere Kinder in diese Richtung hin zu konditionieren, können sie aufwachsen mit dem Bewusstsein, dass ihr Körper ihnen gehört und dass niemand ein Recht darauf hat, über ihn zu bestimmen. Dann wachsen Menschen heran, denen es leicht fällt, eine gesunde Consent Kultur zu leben.“ – Angeline, Leitungsteam KuschelRaum

Möchtest du dich mit dem Wheel auseinandersetzen?

Möchtest du dich mit dem Wheel auseinandersetzen und seine Geschenk für dich entdecken, empfehlen wir dir neben Betty Martins Website, unsere Workshops:

  • „Die Kraft der bewussten Berührung – Bewusste Berührungen empfangen und schenken lernen“
  • „Die Kraft der Vebundenheit – Nähe und Intimität zulassen“
  • „Consent – Wie Einvernehmlichkeit dein Leben bereichert“
  • „Beziehungsweise Consent“

Hier noch ein zum Thema passender Blogartikel, in dem es um das „3 Minuten Spiel“ von Betty Martin geht. Es ermöglicht spielerisch, alle vier Quadranten des Wheels zu erforschen.
Blogartikel: „Wie 3 Minuten dein (Liebes-)Leben verändern können“ und unser Video dazu: „Das 3 Minuten Spiel nach Betty Martin“.