Revolution Consent Kultur – Lasst uns eine neue Welt erschaffen

Consent, auch als Einvernehmlichkeit oder Zustimmung bekannt, ist nicht nur ein Begriff, sondern ein Prinzip, das das Fundament für respektvolle und gesunde zwischenmenschliche Beziehungen legen kann. In diesem Artikel erkunden wir, was Consent Kultur bedeutet und beleuchten erste Aspekte dieses vielschichtigen Themas.
Consent Kultur bietet die Chance, eine sicherere, respektvollere und gleichberechtigtere Gesellschaft zu kreieren, in der Menschen in allen Interaktionen ihre eigenen Entscheidungen treffen können und sich dabei wohl und sicher fühlen – frei von Manipulation, Druck oder Angst vor Verurteilung. Ihre Erschaffung erfordert – wie jede gesellschaftliche Wandlung / Revolution Zeit, daher ist es umso bedeutender, jetzt damit zu beginnen.
Wir laden dich ein, sie aktiv mitzugestalten.

“You don’t give consent, you arrive at consent – together. Really, a better word is agreement.” – Betty Martin

Was ist Consent Kultur?

Consent Kultur bezieht sich auf eine (hoffentlich bald kulturell übergreifende) Haltung und Praxis, die auf der Idee basiert, dass informierte, freiwillige und einvernehmliche Zustimmung ein grundlegendes Element jeder zwischenmenschlichen Beziehung und Interaktion sein sollte. Diese Kultur des Einvernehmens ist u.a. aus den folgenden Gründen wichtig:

  1. Respekt für die Autonomie: Eine Consent Kultur respektiert die Autonomie und Selbstbestimmung jedes Individuums. Sie erkennt an, dass jeder Mensch das Recht hat, Entscheidungen über seinen eigenen Körper, seine Grenzen und seine persönlichen Beziehungen zu treffen.
  2. Verhinderung von Übergriffen: Eine Consent Kultur trägt dazu bei, sexuelle und andere Arten von Übergriffen zu verhindern, indem sie sicherstellt, dass alle Beteiligten einvernehmlich und aktiv in jede Handlung oder Interaktion einwilligen. Dies hilft, Missverständnisse, Druck und Zwang zu reduzieren.
  3. Klare Kommunikation: Die Förderung einer Consent Kultur erfordert offene und klare Kommunikation zwischen den Beteiligten, um Missverständnisse zu vermeiden und sicherzustellen, dass alle Parteien ein klares Verständnis über die getroffene Übereinkunft erlangt haben. So wird die Kommunikationsfähigkeit auch darüber hinaus gehend gefördert.
  4. Stärkung der Beziehungen: In Beziehungen, seien sie romantischer, freundschaftlicher, familiärer oder auch arbeitsbezogener Natur, fördert Einvernehmlichkeit ein Gefühl von Vertrauen und Respekt. Wenn alle Parteien das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse und Grenzen respektiert werden, lädt dies zu authentischem Miteinander ein, welches tiefere Verbundenheitsgefühle zwischen ihnen schaffen kann.
  5. Gesellschaftlicher Wandel: Durch die Förderung einer Consent Kultur – das Bewusstsein für den Wert von Einvernehmlichkeit in verschiedenen sozialen Kontexten wird sowohl eingeladen, also auch geschärft – kann die Gesellschaft sich nach und nach dahingehend wandeln, dass der Respekt  vor persönlichen Grenzen und das Einholen von Einvernehmlichkeit als Norm betrachtet wird.

Insgesamt trägt eine Consent Kultur zu einer sichereren, respektvolleren und gleichberechtigteren Gesellschaft bei, in der die Menschen ihre eigenen Entscheidungen treffen, frei von Manipulation, Druck oder Angst vor Übergriffen und sich in allen Interaktionen wohl und sicher fühlen.

Die Vielschichtigkeit von Consent Kultur

Einzutauchen in das Thema Consent bedeutet, über das einfache „Nein heißt Nein“ hinauszugehen und sich auf die Vielschichtigkeit dieser Thematik einzulassen. Dabei geht es um Sensibilisierung und die Bereitschaft, viele verschiedene Aspekte in Betracht zu ziehen: Sind alle Beteiligten in der Lage, auf Grund der gegebenen Informationen eine fundierte Entscheidung zu treffen? Fühlen sich auch alle im selben Maße frei, dies zu tun? Verfügen sie über die gleichen Kapazitäten dies zu tun? Verstehen sie, dass unterschiedliche (kulturelle) Werte zu Entscheidungen führen können, die eventuell schwer nachzuvollziehen/zu akzeptieren sind?
Consent ist ein komplexes und facettenreiches Thema und die Auseinandersetzung und Diskussion hat gerade erst begonnen. Im Folgenden betrachten wir einige Aspekte näher und laden dich ein, über sie nachzudenken.

Ich und die Welt

In der Betrachtung von Consent ist es wichtig zu erkennen, dass niemand eine Insel ist. Unsere Vorstellungen von Einvernehmen sind stark abhängig von den sozialen Konventionen, mit denen wir sozialisiert wurden. Unser Hintergrund, unsere kulturellen Überzeugungen, unsere soziale Identität und Zugehörigkeit beeinflussen maßgeblich, welches Verhalten wir für angemessen oder verwerflich halten, welche Rechte und Pflichten wir haben, wann wir um Erlaubnis bitten oder uns entschuldigen sollten. Diese Faktoren spielen eine entscheidende Rolle in den Ansichten der Menschen darüber, was z.B. auch in verschiedenen Altersstufen als akzeptables Verhalten angesehen wird.

Die Wahrnehmung von Consent ist nicht universell, sondern vielmehr geprägt von den individuellen Erfahrungen und sozialen Normen, die in verschiedenen Gemeinschaften existieren. Daher ist es von größter Bedeutung, die Vielfalt dieser Perspektiven zu berücksichtigen, wenn wir das Thema Consent diskutieren.
Die Auseinandersetzung mit Consent erfordert Empathie und ein tieferes Verständnis für die Unterschiede in den Vorstellungen und Erwartungen verschiedener Gruppen und Individuen. Nur so können wir eine umfassendere und inklusivere Sichtweise auf dieses Thema entwickeln und sicherstellen, dass die Bedürfnisse und Wünsche aller Menschen respektiert werden, unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund oder ihrer sozialen Zugehörigkeit.

Fragen an den:die interessierte:n Leser:in
Hast du einmal darüber nachgedacht, wie dein Background, deine kulturellen Einflüssen und die Menschen in deinem Leben deine Werte und Sichtweisen prägen? Wie sich vielleicht auch ändert, was du für angemessen hältst und was nicht, sobald du dich (längerfristig) mit anderen Menschen umgibst?
Fällt es dir leicht, zu akzeptieren und zu respektieren, dass andere Werte auch eine andere Consent Kultur nach sich ziehen?
Sollte es eine übergeordnete Consent Kultur geben? Ist das überhaupt möglich?

Einflüsse

„What we own people is accurate, relevant information and respect of their domain – that’s it.” – Betty Martin

Fragen an den:die interessierte:n Leser:in
Bist du dir deiner Privilegien bewusst?
Bist du dir bewusst, dass sie es anderen Menschen eventuell schwer machen könnten, dich gleich (auf Augenhöhe) zu behandeln?
Behandelst du andere Menschen unterschiedlich oder wirklich immer gleich? – Gibst du dir eventuell besondere Mühe mit manchen Menschen, oder bist extra vorsichtig, extra nett oder betonst die Gleichwertigkeit ?
Hand aufs Herz – nutzt du deine Privilegien manchmal aus?

Power Wheel – Privilegien erkennen

“Only if we understand, can we care. Only if we care, we will help.” – Jane Goodall

Das Privilege Wheel, auch als „Power Wheel“ bekannt, ist ein Konzept, das dazu dient, die vielschichtige Natur von Privilegien und Benachteiligungen in unserer Gesellschaft zu visualisieren und zu analysieren. Dieses Modell veranschaulicht, wie bestimmte Merkmale, wie Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Identität, sozioökonomischer Status und mehr, die Erfahrungen und Chancen einer Person beeinflussen.
Das Privilege Wheel bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur Untersuchung von Vorrechten, indem es die verschiedenen Aspekte des Lebens berücksichtigt, die dazu beitragen, dass einige Menschen mehr Privilegien genießen als andere. Dieses Instrument ermöglicht es, die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Formen von Privilegien und Benachteiligungen zu erkennen und zu verstehen.

Setze dich gern in Ruhe damit auseinander. Im Vordergrund steht hier der Aspekt der Autonomie, nicht so sehr, ob das Wheel in allen Punkten immer zutrifft. Je nach Kontext kann sich das Machtverhältnis deutlich ändern. Am Beispiel vom Alter: In machen Situationen verfügen die Menschen in den mittleren Jahren über die meisten Privilegien, in manchen eher Menschen in ihren (goldenen) Zwanzigern. Beim BMI (= Body Mass Index / Thema: Körpergewicht) spielt die Kultur oder auch die Epoche eine Rolle. (In vielen Kulturen (heutigen) wird Schlanksein gleichgesetzt mit Gesundheit, Erfolg, der Fähigkeit zu Kontrolle und Mäßigung und allgemein als schöner angsehen, als eine Rubensfigur. In manchen Kulturen wird ein dicker Bauch mit Reichtum gleichgesetzt und gilt deshalb als erstrebenswert…)

Freiheit und Kapazität

Im Zusammenhang mit Consent sollte auch berücksichtigt werden, ob alle Beteiligten wirklich in der Lage sind, (für sich) eine klare Entscheidung zu treffen. Freiheit und Kapazität sind hier ausschlaggebend.

Freiheit: Eine Entscheidung ohne Einschränkungen treffen zu können.

Kapazität/Fähigkeit: In vollem Umfang in der Lage und fähig zu sein, eine Entscheidung zu 
 treffen, sowohl körperlich, geistig als auch emotional.
    Körperliche Fähigkeit: körperlich in der Lage zu sein, Signale durch die Sinnesorgane 
 klar wahrzunehmen und sich verständlich ausdrücken zu können
    Geistige Fähigkeit: in der Lage zu sein, Informationen zu verstehen und zu verarbeiten 
 und eigene Entscheidungen anderen wirksam mitzuteilen
    Emotionale Fähigkeit: in der Lage zu sein, Gefühle auf der Grundlage der verfügbaren 
 Informationen zu verstehen und auszudrücken

Sowohl die Freiheit, als auch die Kapazität können eingeschränkt sein.

Einschränkungen von Freiheit sind u.a.:

  • Machtmissbrauch, Manipulation
  • Drohungen, psychische Gewalt
  • Physische Gewalt und Gewaltandrohung
  • Nötigung, Erpressung, Kontrolle
  • Soziale Konventionen, Gruppenzwang

Einschränkunegn von Kapazität sind u.a. :

  • Bewusstlosigkeit
  • Bewusstseinsverändernde Substanzen (Alkohol, Cannabis …)
  • Kognitive Einschränkungen (Kinder, Lernschwierigkeiten, Trisomie 21 …)
  • Fehlender Zugang zu Informationsquellen (nicht vorhandene Sprachkenntnisse, (digitaler) Analphabetismus …)

Hier stellen ich nun neue Fragen, ergeben sich neue Herausforderungen: Wer darf warum, wann und wie darüber entscheiden, ob ein bestimmer Mensch fähig ist, bewusste Entscheidungen für sich zu treffen. Wer darf warum, wann und wie darüber entscheiden, ob ein bestimmer Mensch fähig ist, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, eine andere jedoch nicht?

Fragen an den:die interessierte:n Leser:in
Hast du dir einmal Gedanken gemacht, über die Freiheit deiner Entscheidungen?
Hast du immer wahrgenommen / respektiert, wenn jemand eingeschränkt in seiner:ihrer Kapazität war?
Ist es nicht schon übergriffig zu sagen oder zu denken, jemand anderes wäre eingeschränkt in seiner:ihrer Freiheit oder Kapazität? Oder ist es nicht übergriffig, sondern achtsam? Und wo ist die Grenze zwischem Beidem?

Consent ist nicht einfach

Consent ist mehr als „Nein heißt Nein.“ Viel mehr. Consent ist vielschichtig. Consent ist verwurschtelt (erstmal). Consent ist herausfordernd (erstmal). Consent ist anstrengend (erstmal).
Allein die Auseinandersetzung mit diesen drei Aspekten: Background, Privilegien und Freiheit und Kapazität, wirft so viele Fragen auf und stellt uns vor immens große Herausforderungen. Und doch sind sie erst der Anfang, gibt es noch viel mehr zu entdecken. Wir haben dazu schon einige Blogartikel geschrieben und weitere werden folgen. Consent Kultur liegt uns sehr am Herzen und wir hoffen, wir konnten auch dein Interesse wecken und dich dafür begeistern. Consent ist lohnenswert (erstmal und auch langfristig).

Consent Kultur – Was wäre, wenn …

Warum ist das alles so wichtig?
Nun – stelle dir eine Welt vor, in der
Consent Kultur allgegenwärtig wäre.

Stell dir eine Welt vor, in der niemand eine Überschreitung seiner:ihrer Grenzen fürchten muss. Eine Welt, in der sich alle Menschen in ihrem Körper sicher fühlen und selbstbewusst nach dem fragen, was sie wollen und konfliktfrei Nein sagen, wenn sie etwas nicht wollen. Eine Welt, in der die persönliche Handlungsfähigkeit und Autonomie gewürdigt werden und die Menschen sich frei fühlen, ihre Grenzen, Vorlieben und Bedürfnisse zu äußern.
Ganz viel Kraft, Freude und Neugier würden in uns befreit werden, wenn wir wüssten, dass unsere Grenzen respektiert und unsere Wünsche nicht belächelt werden. 
Stell dir vor, in einer Welt zu leben, in der es sicher ist, für das einzutreten, was du willst und was nicht, und wenn es in Ordnung ist, deine Meinung auch wieder zu ändern. Wenn dein Nein als willkommenes Zeichen von Eigenverantwortung und nicht als Ablehnung eingeordnet wird. Wenn sich dein Körper generell, bis ins Mark sicher fühlt.

Consent kann so viel, denn die Auswirkungen des gegenseitigen Respekts (vor der körperlichen Autonomie) sind nicht nur intern spürbar, sondern breiten sich auch auf die Gemeinschaft aus:

  • Wenn ein verheiratetes Paar merkt, dass es fragen kann, bevor es sich küsst oder berührt, wird dies jedes Mal zu einer Gelegenheit, zu flirten und sich neu kennenzulernen.
  • Wenn eine Frau aufhört, Berührungen zu tolerieren, die sie nicht will, verändert sie damit den Umgang und den Ton in ihrer Umgebung. Sie wird zu einem Vorbild für andere, die Berührungen toleriert haben, und zu einer Warnung für diejenigen, die sich berechtigt fühlen, über den Körper anderer Menschen zu verfügen.
  • Wenn ein oder zwei Unbeteiligte eingreifen, um eine Belästigung in der Öffentlichkeit zu stoppen, wird ein klares Signal gesetzt, dass solches Verhalten inakzeptabel ist.
  • Wenn ein:e Schüler:in an einer neuen Schule sieht, dass Mobbing nicht geduldet wird, wird er:sie nach anderen Wegen suchen, um sich einzufügen und diese Fähigkeiten werden ihm:ihr für den Rest des Lebens dienen.
  • Wenn ein:e Schüler:in darauf vertrauen kann, dass mindestens ein Erwachsener seine:ihre Bedenken gegenüber einem anderen Erwachsenen ernst nimmt, bleibt der Missbrauch nicht länger im Dunkeln und kann unbehindert fortgeführt werden.
  • Wenn ein Mensch im Rollstuhl selbstbewusst seine Bedürfnisse und Grenzen gegenüber den Menschen in seiner Nähe geltend macht, lernen diese nicht nur, wie mit ihm umzugehen ist, sondern auch, wie respektvoll mit anderen Rollstuhlfahrer:innen umgegangen werde sollte.
  • In der Arbeitswelt würde die Consent-Kultur dazu führen, dass Mitarbeiter:innen ihre Einwilligung zu Arbeitsaufgaben und -bedingungen aktiv äußern und respektieren. Dies würde ein produktiveres und zufriedeneres Arbeitsumfeld schaffen.
  • In der medizinischen Versorgung würden Patient:innen aktiv in die Entscheidungsfindung einbezogen, und Ärzt:innen würden sicherstellen, dass die Einwilligung für medizinische Eingriffe klar und informiert gegeben wurde.
  • In der Sexualerziehung würden junge Menschen sowohl die Bedeutung von Einwilligung als auch die Fähigkeit zur Kommunikation darüber lernen, was zu einer gesünderen und respektvolleren Einstellung gegenüber Intimität führen würde.
  • Schon kleinen Kindern würde beigebracht, dass sie die Autonomie über ihren Körper haben und sie würden von Anfang an mit diesem Wissen heranwachsen.

Die Auswirkungen einer Consent Kultur sind weitreichend und gehen über persönliche Beziehungen hinaus. Consent Kultur fördert das Entstehen einer sichereren und unterstützenderen Gesellschaft.
Es ist die Mission des KuschelRaums, solche visionären Räume schon heute möglich zu machen. Mit unseren Angeboten für Gruppenerfahrungen und Eins-zu-Eins-Begleitungen öffnen wir Lern- und Erfahrungsräume, in denen Consent-Kultur erlebt und erlernt werden kann. Consent kann die Welt verändern. Unser Weg, Consent in die Welt zu bringen, ist das bewusste Kuscheln. Wir sind die KuschelRevolution und tragen mit ihr aktiv bei zur ConsentRevolution!

Wenn du dich mit dem Thema Consent Kultur theoretisch und vor allem auch praktisch auseinandersetzen möchtest, empfehlen wir unsere Workshops.

Viel Freude beim Entdecken und Leben von 
Consent Kultur wünschen dir Angeline & Rubem