Resilienz und Berührung: Wie körperliche Nähe uns hilft, widerstandsfähiger zu sein

„Ich kann nicht mehr.“ – Immer mehr Menschen sagen von sich selbst, dass sie überfordert sind. Resilienz ist das Wort der Stunde. Doch wie kann sie entwickelt und gestärkt werden, um den zahlreichen und nicht enden wollenden Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können? Eine oft übersehene Möglichkeit besteht darin, körperliche Nähe und Berührung zu erfahren.
In diesem Artikel beleuchten wir die vier Geheimnisse der Resilienz und rücken dabei besonders den Einfluss von Berührung in den Mittelpunkt: Warum ist es so enorm wichtig, liebevolle Berührung in unser Leben zu integrieren?

Was ist Resilienz?

Resilienz ist die Fähigkeit eines Individuums, Herausforderungen zu meistern, Rückschläge zu überwinden und sich an Veränderungen anzupassen. Sie ermöglicht Perspektivänderungen, um (neue) Lösungen zu finden und Ziele zu erreichen. Resilienz ist eine Eigenschaft, die dazu befähigt, aus schwierigen Situationen zu lernen und gestärkt daraus hervorzugehen, z.B. mit Stress und Trauma umzugehen, ohne davon überwältigt zu werden.
Sie ist nicht angeboren; vielmehr ist es etwas, das im Laufe des Lebens entwickelt wird.

Warum ist Resilienz heute wichtiger denn je?

Immer mehr Menschen fühlen sich erschöpft, müde und ausgebrannt. „Ich kann nicht mehr.“ oder „Ich bin so müde.“, sind Sätze, die wohl die meisten von uns nicht mehr nur verstärkt von anderen hören, sondern auch selbst sagen. Der Wunsch nach einer Pause, einem Stopp wächst. Aber warum ist das so?
Ganz einfach: Weil in einem sehr kurzen Zeitraum so viel passiert ist, dass wir Schwierigkeiten haben, alles zu integrieren und zu verarbeiten. Es ist tatsächlich zu viel.
Das folgende Modell der Stress- und Resilienzforschung verdeutlicht sehr eindringlich, warum gerade so viele von uns, ein Gefühl der Überforderung haben.

Die 5 Phasen der Krise

Das 5-Phasen-der-Krise-Modell wurde von der Schweizer Psychiaterin Dr. Elisabeth Kübler-Ross entwickelt. Sie führte in den 1960er Jahren Studien über das Sterben und den Umgang mit dem Tod durch und identifizierte dabei 5 Phasen, die später auch auf andere Arten von Krisen übertragen wurden.
Diese Phasen beschreiben den emotionalen Prozess, den Menschen während einer Krise durchlaufen. Diese Phasen sind von Person zu Person unterschiedlich, sie dauern z.B. unterschiedlich lange an oder können auch in verschiedenen Reihenfolgen auftreten.

Verneinung: In dieser Phase versuchen Menschen, die Realität der Krise zu ignorieren oder abzulehnen. Als eine Art Schutzmechanismus spielen sie die Situation herunter oder leugnen vollständig, dass es überhaupt eine Krise gibt. So sind sie (noch nicht) gezwungen, die Schwere der Situation vollständig erfassen zu müssen. („Nein. Nein. Nein. Bitte nicht.“)

Zorn/Wut: In dieser Phase werden Menschen wütend und empfinden die Krise als ungerecht. Sie wissen oft nicht wohin mit ihrem Zorn und richten ihn manchmal sogar auf diejenigen, die eigentlich helfen wollen. („Warum ich?!? AAAaaahhh.“)

Verhandlung: In dieser Phase suchen Menschen nach Wegen, um mit der Krise umzugehen. Sie versuchen, Kompromisse zu machen, um die Krise zu bewältigen. Dies kann jedoch auch dazu führen, dass sie unrealistische Hoffnungen haben. („Na gut, ok, aber nur bis dahin und dann hört es auf.“)

Depression: In dieser Phase treten Traurigkeit und Verlustgefühle auf. Überforderung setzt ein und das Gefühl, die Krise nicht bewältigen zu können. Die Betroffenen trauern über Verluste, fühlen sich hilflos und ausgeliefert, verlieren das Interesse an Aktivitäten, die sie normalerweise genießen. Hier wird auch das ‚Tal der Tränen‘ verortet, der Tiefpunkt, von dem aus, es nur wieder aufwärts gehen kann. („Ich kann nicht mehr!“)

Akzeptanz: In dieser Phase beginnen Menschen, die Krise zu akzeptieren und Wege zu finden, sich an die neue Realität anzupassen. Langsam versuchen sie, wieder ein normales Leben zu führen. In dieser Phase kann die Integration des Ganzen abgeschlossen werden, was dazu führt, dass Menschen an der überwundenen Krise wachsen und gestärkt daraus hervorgehen können. („Licht am Ende des Tunnels.“)

pahesen der krise

Aber warum ist es so verdammt erschöpfend?

Es ist so verdammt erschöpfend, weil wir es nicht nur mit einer, sondern gleich mit mehreren Krisen zu tun haben. Wir kämpfen simultan an vielen Fronten, denn bevor wir eine Krise verarbeiten konnten, begann bereits die nächste: COVID-19 hat uns vor große Herausforderungen gestellt und viele Verluste verursacht. Doch damit nicht genug, es folgten ein Krieg im Herzen Europas, eine Energiekrise und nun auch noch Inflation. Mit jeder dieser Krisen durchlaufen wir die fünf Phasen – zeitversetzt und in unterschiedlicher Heftigkeit. Jede verlangt uns Kraft, Energie und Aufmerksamkeit ab und fordert uns emotional. Doch damit endet es nicht. Neben diesen globalen Krisen, haben wir auch noch persönliche Herausforderungen zu bewältigen (Familie, Beziehungen, Beruf, Geld, Gesundheit … ). Das Leben schenkt uns keine Pause, nur weil um uns herum so viel passiert.
Es ist erschöpfend – verdammt erschöpfend sogar – und es ist wichtig, dies anzuerkennen. Allein, indem wir uns bewusst machen, dass wir mit vielen Krisen gleichzeitig konfrontiert sind und dass dies eine enorme Belastung für uns darstellt, können wir den ersten Schritt in Richtung Wohlbefinden machen.

Also, nimm dir bitte diesen Moment und lobe dich dafür. Du versagst nicht. Du tust dein Bestes, um für deine Liebsten da zu sein, deine Arbeit und deine alltäglichen Verpflichtungen zu meistern. Erkenne es an. Du hast nicht versagt, weil du erschöpft bist. Lass den Kampf gegen die Erschöpfung los und konzentriere dich stattdessen darauf, langsam wieder aus diesem Zustand herauszukommen. Finde die Stellschrauben, die dir helfen, deine Energie wiederzuerlangen und dich besser zu fühlen. Gib dir Zeit und sei geduldig mit dir.
 Einfach mal nur so rumzuliegen, Bewegung, Meditation, ein Gespräch mit einem lieben Menschen? Was auch immer es ist, finde heraus, was dir gut tut und gib dir die Erlaubnis, es zu tun.

An dieser Stelle auch ein Appell. Bringe nicht nur dir selbst Mitgefühl und Geduld entgegen, sondern ALLEN. Denn ALLE sind erschöpft und ALLE haben nur noch wenige Ressourcen und Geduld zur Verfügung.

„Die Seele ist verliebt in die Freude. (Von ihr können auch Sie niemals genug bekommen. Schenken Sie sich eine Auszeit – das gute Gefühl steigert Ihre Lebensfreude.)“ – Unbekannt

Die vier Geheimnisse der Resilienz

  1. Fokussiere dich auf das, was du ändern kannst.
    Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir nicht alles kontrollieren können. Doch wir haben die Wahl, wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Wenn wir uns auf Dinge konzentrieren, die wir ändern können, fühlen wir uns handlungsfähig und stark. Gleichzeitig sollten wir den Fokus von Dingen nehmen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, da sie eher Gefühle der Hilflosigkeit und des Ausgeliertseins in uns hervorrufen.
  2. Schenke den guten Dingen mehr Beachtung.
    Menschen haben die Tendenz, sich stärker an schlechte Erfahrungen zu erinnern, als an gute. Das kann dazu führen, dass wir uns ständig Sorgen machen und Angst haben. Resiliente Menschen finden einen Weg, sich auf die guten Dinge zu fokussieren und ihnen mehr Gewicht zu verleihen. Eine Möglichkeit ist es, Dankbarkeit zu praktizieren. Eine Studie von Martin Seligmann aus dem Jahr 2005 hat gezeigt, dass Menschen, die Dankbarkeit üben (z. B. ein Dankbarkeitstagebuch führen), weniger depressiv sind und sich glücklicher und dankbarer fühlen.
  3. Frage dich: Ist das, was ich tue, gut für mich?
    Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, wie wir mit uns selbst umgehen. Indem wir uns fragen: „Ist es gut für mich oder schadet es mir, wenn ich so denke, fühle oder handle?“, geben wir uns selbst Kontrolle, da wir unser Denken, Fühlen und Handeln wieder in eine Richtung lenken können, die uns gut tut. Wenn wir negativ über uns oder andere denken, uns aufregen oder uns leidtun, schadet uns das eher, als dass es uns hilft. Denken wir positiv (erhebend) über uns, andere und die Situation unterstützt es uns eher. Die Sprache bildet dies wunderbar ab: Sich runterziehen vs. sich erheben. Die Hölle auf Erden vs. der Himmel auf Erden. In tiefe Trauer stürzen vs. einen Höhenflug haben.
  4. UND … (und das ist jetzt wahrscheinlich in einem Blogartikel des KuschelRaums nicht wirklich überraschend) geniesse achtsame, liebevolle Berührung!!!

Berührung und Resilienz

In vielen Artikeln zum Thema Resilienz wird zwar konkret beschrieben, was wir tun können, um resilienter zu sein, doch Berührung wird dabei oft übersehen, und das obwohl der Resilienzfaktor der sozialen Unterstützung, neben mentaler Stärke und Optimismus, durchaus große Beachtung findet. Nun, Berührung ist die wohl einfachste und auch wirksamste Möglichkeit, soziale Unterstützung zu fühlen und zu bieten. Schon ein Händedruck, ein Schulterklopfen oder eine Umarmung können wahre Wunder bewirken. Berührung ist unglaublich kraftvoll.

„Berührung hat die Macht, Menschen zu heilen und zu trösten.“ – Mitch Albom.

Wenn wir angenehm berührt, herzlich umarmt oder liebevoll gehalten werden, fühlen wir uns nicht nur sicher, geborgen, geschätzt und geliebt, wir fühlen uns unterstützt. Studien haben gezeigt, dass Herausforderungen (unabhängig davon, ob es sich um einen Mathetest oder das Besteigen eines Berges handelt) nach und mit einer angenehmen Berührung, als weniger herausfordernd empfunden werden, als ohne diese Art der Unterstützung.
 Berührung schenkt uns das Gefühl, mit all dem nicht allein zu sein und allein dies gibt die Kraft zum Weitermachen und den Willen, schwierige Situationen zu bewältigen.

Berührung und Kuscheln haben auch eine wichtige emotionale Bedeutung: Fühlen wir uns geschätzt, angenommen und geliebt, stärkt dies unser Selbstwertgefühl und unser Vertrauen in uns selbst und andere. Und dies hilft uns dabei, uns Herausforderungen zu stellen, da wir uns selbst mehr zutrauen und gleichzeitig darauf vertrauen können, von anderen unterstützt zu werden, sollte es notwendig werden. Wenn wir wissen, das wir den ganzen Weg nicht allein gehen müssen, werden wir uns an schwierigere und längere Wege wagen.
Darüber hinaus kann Berührung auch helfen, Beziehungen aufzubauen und zu stärken, was eine wichtige Ressource für die Resilienz darstellt, da wir in guten Beziehungen öfter und bedingungsloser dazu bereit sind, uns gegenseitig als Quelle von emotionalem und praktischem Beistand in Zeiten der Not zu dienen.

“Wir brauchen 4 Umarmungen pro Tag zum Überleben. 8 Umarmungen pro Tag um uns gut zu fühlen und 12 Umarmungen pro Tag zum innerlichen Wachsen.” – Virginia Satir

Schließlich kann Berührung uns daran erinnern, dass wir nicht alleine sind und dass wir in einer Welt leben, die voller Verbundenheit und Empathie ist. In Zeiten von Stress und Herausforderung kann eine Berührung uns daran erinnern, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind und dass wir von anderen umgeben sind, die uns unterstützen und lieben. Dies schenkt uns ein Gefühl von Hoffnung und Optimismus, das uns durch schwierige Zeiten tragen kann.

Doch körperliche Interaktionen, wie Umarmungen, Handhalten oder Kuscheln sind nicht nur angenehm, sondern haben auch große Auswirkungen auf unser körperliches Wohlbefinden, auf unsere Gesundheit. Eine der wichtigsten Auswirkungen von Berührung auf unsere Resilienz ist hier die Freisetzung von Oxytocin, dem „Kuschelhormon“, dass eine entspannende und beruhigende Wirkung auf unseren Körper hat. Es hilft, den Stress und die Angst zu reduzieren, die wir in schwierigen Situationen empfinden und trägt dazu bei, angestauten Stress abzubauen. So ’stapeln‘ wir nicht Stress auf Stress, sondern drücken ab und an den ‚Resetbutton‘ und bauen Stresshormone nicht nur auf, sondern auch ab.
Ein weiterer körperlicher, positiver Effekt von Berührung auf unsere Resilienz ist die Stärkung unseres Immunsystems. Studien haben gezeigt, dass Berührung und körperliche Nähe die Produktion von Immunzellen im Körper erhöhen und somit dazu beitragen, Krankheiten und Infektionen zu bekämpfen. Berührung fördert auch die Freisetzung von Endorphinen, die nicht nur Wohlbefinden und Glücksgefühle auslösen, sondern auch natürliche Schmerzmittel des Körpers sind, die uns dabei unterstützen, sowohl körperliche, als auch seelische Schmerzen besser zu bewältigen.

Angenehme Berührung kann uns eine Pause vom Alltag mit alle seinen Herausforderungen schenken. Konzentrieren wir uns auf die haptischen und taktilen Empfindungen, nimmt das den Fokus vom zermürbenden Gedankenkarrussel. Eine gute Massage oder liebevolle Kuschelsession, bei der wir 60 Minuten lang nichts leisten müssen, schenkt uns eine Stunde Pause von der Realität. Und nach einem Neustart sehen die Welt, der Alltag und die Realität ganz anders aus.

Versorge dich mit Berührung

In einer Zeit, in der soziale Distanzierung und Einsamkeit immer mehr zu einem Problem werden, ist es umso wichtiger, sich aktiv um die ‚Versorgung mit Berührung‘ zu kümmern. Also, umarme deine Liebsten und bitte sie, dich zu umarmen.
 Verabredet euch zum Kuscheln, stellt einen Timer und wünscht euch, was euch gut tut: Rückenkraulen, Kopf streicheln, Gesichtsmassage. (Zu letzterem haben wir eine ausführliche Anleitung im YouTube Kanal des KuschelRaums.)

Aber was ist, wenn du allein bist? Keine Sorge, es gibt viele Möglichkeiten, um dennoch die Vorteile von Berührung und Kuscheln zu genießen. Wenn du zum Beispiel ein Haustier hast, kann das Kuscheln mit deinem Hund oder deiner Katze (fast) genauso gut funktionieren. Es gibt auch bestimmte Körperhaltungen, die dazu beitragen können, dass du dich sicher und geborgen fühlst, wie zum Beispiel das Umarmen deiner Knie oder das Umfassen deines Oberkörpers. Auch sanfte Streicheleinheiten, besonders im Gesicht, tun gut.
Es gibt sogar eine Studie aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Holding onto Happiness: Touching Emotionally Valenced Objects Boosts Positive Mood“ (= Festhalten am Glück: Die Berührung von emotional bewerteten Objekten steigert die positive Stimmung), welche den Einfluss von Berührung auf die Stimmung untersuchte und herausfand, dass die Berührung von emotional aufgeladenen Objekten dazu beitragen kann, die Stimmung positiv zu beeinflussen. Also umarme dein Kuschelkissen, streichle deinen Lieblingspullover oder berühre Urlaubsmitbringsel, die dich an eine schöne Zeit erinnern.

Und dann hast du natürlich noch die Möglichkeit eines Besuchs im KuschelRaum.

Erlebe Kuscheltherapie und lass dich in einer 1:1-Session verwöhnen.
Entdecke unsere Kuschelpartys und erlebe Variationen des Glücks mit Gleichgesinnten.
Erfahre Berührung ganz neu bei unseren Kuschelworkshops und lerne mehr zu den Themen Berührung, Intimität und Verbundenheit.

Und wenn sich all das wie eine Herausforderun anhört/anfühlt: Sehr gut! Sich regelmäßig neuen Herausforderungen zu stellen, stärkt nämlich unsere Resilienz. Wir üben, mit für uns belastenden Situationen umzugehen, uns nicht von den eigenen Gedanken aus der Ruhe bringen zu lassen und unsere Emotionen besser zu kontrollieren. In neuen schwierigen Situationen können wir dann entspannt zurückblicken: „Ich habe auf einer Kuschelparty mit Fremden gekuschelt! Ha, dann ist das hier ein Klacks!“

Fazit

Resilienz ist eine Eigenschaft, die uns hilft, schwierige Zeiten durchzustehen und gestärkt daraus hervorzugehen. Es gibt viele Faktoren, die zur Resilienz beitragen, wie zum Beispiel mentale Stärke, soziale Unterstützung und körperliche Gesundheit. Eine oft übersehene Komponente ist jedoch die Bedeutung von Berührung. Doch gerade sie unterstützt uns wortlos, einfach und besonders kraft- und wirkunsgvoll.

Integriere Berührung in dein Leben, nimm dir Zeit für Berührung und für dich selbst.
Erlaube dir, dich um deine Bedürfnisse (zuerst) zu kümmern. Mehr kannst du nicht tun. Doch das ist viel und das ist mehr als genug.

„Wenn Leute dir sagen: 
“Kümmere dich nicht so viel um dich selbst!“
 dann sieh dir die Leute an,
 die dir das sagen:
 An ihnen kannst du erkennen,
 wie das ist, wenn einer sich nicht genug
 um sich selbst gekümmert hat.
“ – Erich Fried