Das menschliche Grundbedürfnis nach Verbindung und Berührung

In diesem Blogartikel gehen wir der frage nach warum Berührung für uns Menschen ein Grundbedürfniss und (lebens)wichtig ist und warum sich das Gefühl der Einsamkeit so überaus schmerzhaft und nahezu bedrohlich anfühlt.

Das menschliche Grundbedürfnis nach Berührung

Menschen haben zwei Grundbedürfnisse, was Berührung anbelangt und beide sind tief in unserer biologischen Natur verwurzelt. Eines ist das Bedürfnis nach bedingungsloser, absichtsloser Berührung und ein anderes das Bedürfnis nach sexuellem Ausdruck.
Das Bedürfnis, Sexualität zu leben, sorgt dafür, dass wir uns fortpflanzen und somit das Überleben unserer Spezies sichern – ein zentrales Ziel der Evolution. Sich als sexuelles Wesen erleben und ausdrücken zu können, trägt darüber hinaus dazu bei, sich vollständig zu fühlen und die volle Bandbreite des Menschseins auszukosten – und zwar ganz unabhängig von Gender-Indentitäten und sexueller Vorlieben. Als sexuelles Wesen wahrgenommen und geschätzt zu werden, stärkt, geknüpft an Gefühle der Attraktivität und des Begehrtseins, unser Selbstbewusstsein und unser Selbstwertgefühl. 
Diese Form der Berührung und des körperlichen Ausdrucks ist oft mit Intimität, Leidenschaft und körperlichem Vergnügen verbunden. Sie spielt eine entscheidende Rolle im menschlichen Bindungsverhalten und im Aufbau und Erhalt von Beziehungen.

Das Bedürfnis nach bedingungsloser, absichtsloser Berührung erfüllt ebenso wichtige Funktionen. Solche Berührungen sind frei von sexuellen oder romantischen Erwartungen und bieten Trost, Sicherheit und Geborgenheit. Sie sind essenziell für unsere Entwicklung und unsere emotionale und physische Gesundheit. Diese Form der Berührung vermittelt Liebe, Unterstützung und Anerkennung – Zugehörigkeit und Verbundenheit – und ist besonders wichtig in familiären sowie anderen sozialen Beziehungen, in denen emotionale Nähe vorkommt (wie in engen Freundschaften) und/oder die ausdrückliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Bedeutung ist (z. B. in Team-Sportarten). Ein Berührungsmangel hingegen (= das Grundbedürfnis nach Berührung wird nicht ausreichend erfüllt) kann zu erheblichen physischen, emotionalen und sozialen Problemen führen. 
Im folgenden Abschnitt gehen wir vertieft darauf ein, da wir uns im KuschelRaum ganz der Erforschung und Erfüllung dieses Bedürfnisses widmen.

Das Menschliche Bedürfnis nach absichts- und bedingungsloser Berührung

Unser Bedürfnis nach absichts- und bedingungsloser Berührung beruht darauf, dass Menschen aus biologischer Sicht Säugetiere sind und Säugetiere nicht-sexuelle Berührung aus biologischen Gründen brauchen, die tief in der Evolution verwurzelt sind.
Als erstes sei hier die Mutter-Kind-Bindung (zwischen Mutter und Jungtier) genannt, für die der enge Körperkontakt entscheidend ist. Diese fördert das Überleben des Jungtiers, indem sie sicherstellt, dass es Nahrung, Schutz und Fürsorge erhält. Ein auf sich allein gestelltes Jungtier würde nur schwer überleben, ein menschliches Baby in jedem Fall sterben. 
Doch Berührung hat nicht nur einen Einfluss auf das grundlegende Überleben, sondern sorgt auch für ein gesundes Wachstum bzw. Heranwachsen. Ein Mangel an Berührung hingegen hindert die neurologische Entwicklung (u. a. neuronale Vernetzungen und Gehirnwachstum) bei Jungtieren, was zu Entwicklungsstörungen (wie eingeschränkter Lern- und Anpassungsfähigkeit) und Verhaltensproblemen (Aggressivität, Angststörungen, Depression …) führen kann. Tritt der Berührungsmangel in frühen Lebensjahren auf, führt dies zu Wachstumsstörungen, die als „Nicht-organische Gedeihstörung“ bekannt sind.

Ein weiteres besonderes Merkmal von Säugetieren ist ihre Lern- und Anpassungsfähigkeit. Verglichen mit anderen Tierarten ist ihr Gehirn besonders plastisch und viele Verhaltensweisen und Fertigkeiten, die sie fürs Überleben brauchen, werden nicht angeboren, sondern erst nach der Geburt entwickelt. Um ihre Umwelt zu erkunden sind taktile Reize ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses und der sensorischen Integration. Wir begreifen und erfassen unsere Welt; wir erkunden sie in den ersten Monaten und Jahren vielmehr mit dem Tastsinn (und den anderen nahen Sinnen [Riechen und Schmecken]), als mit den fernen Sinnen (Sehen und Hören). Viel von dem, was wir über unsere Realität erkennen, seien es praktische Problemlösungsstrategien oder die Verhaltensregeln unserer sozialen Gruppe, lernen wir durch die körpernahe Begleitung der Eltern oder anderer Artgenoss:innen.

Als Nächstes möchten wir etwas tiefer auf diesen letzten Aspekt eingehen – die Hauptüberlebensstrategie von uns Menschen (und auch der meisten Säugetiere): Die Bildung sozialer Strukturen, welche zu einer ausgesprochen hohen (und evolutionär gesehen sehr erfolgreichen) Kollaborationsfähigkeit führt, und bei welcher Berührung eine zentrale Rolle spielt. Nicht nur bei Säuglingen und Kindern (Jungtieren), auch bei erwachsenen Säugetieren fördert Körperkontakt die soziale Bindung zu anderen Artgenoss:innen und somit den Gruppenzusammenhalt, welcher viele Überlebensvorteile bietet, wie Schutz vor Kälte oder Raubtieren, Arbeitsteilung (bspw. Nahrungsbeschaffung, Wachposten …) usw. Auch stellt Berührung eine besonders wichtige Form der Kommunikation dar. Sie kann Zuneigung, Unterstützung, Trost und andere soziale Signale übermitteln und dadurch Hierarchien etablieren und Konflikte lösen – Grooming (soziale Fellpflege) bekannt bei vielen Primatenarten ist ein Beispiel dafür, wie Berührung soziale Strukturen festigt und Konflikte reduziert. Sowohl bei Jungtieren als auch bei erwachsenen Säugetieren führt der entspannte Körperkontakt zur Freisetzung von Hormonen wie Oxytocin, Serotonin und Endorphinen, die das Wohlbefinden und die Gesundheit fördern, u. a. indem sie Stresshormone abbauen und das Immunsystem stärken (im Blogartikel über Hormone: „Kuschelhormone – das Glück ist nur eine Umarmung entfernt“ wird dieses Zusammenspiel ausführlich dargestellt) – was entscheidend für das Überleben ist.
Aus diesen und anderen Gründen sind die meisten Säugetiere soziale Wesen, die ihr ganzes Leben lang in Gruppen verbringen, in denen Berührungen eine zentrale Rolle im Zusammen-sein spielen.
Bei Menschen trifft es auf jeden Fall zu: Gruppenbildung ist die Hauptüberlebensstrategie unserer Spezies und unser Körper, Geist und Nervensystem sind nach einem sozialen und berührungsreichen Leben ausgerichtet. Unzählige Generationen von Urmenschen (Gattung Homo) und Menschen (Homo sapiens) lebten mit Artgenoss:innen in einer kleinen Gruppe oder Horde zusammen. Das dicht gedrängte zusammen Schlafen war die Regel, was Schutz vor Kälte, Raubtieren und anderen Gefahren mit sich brachte. Da davon ausgeschlossen zu werden, den Tod bedeutete, war Zugehörigkeit überlebensnotwendig. Deshalb ist auch heute noch das Gefühl der Einsamkeit eines der bedrohlichsten und schmerzhaftesten.

Als drittes möchten wir einen Aspekt in den Fokus rücken, der nicht ausschlaggebend für das Überleben ist, aber dennoch einen immens wichtigen Beitrag dazu leistet, dass wir Menschen uns wohlfühlen und gesund sind. Denn nicht nur biologisch, sondern auch anthropologisch oder psychologisch gesehen sind Menschen soziale Wesen, deren Grundbedürfnisse nur im Zusammenhang mit anderen Menschen erfüllt werden können. In diesem Kontext schafft Körperkontakt Nähe und Verbundenheit. Erst im Zusammenhang mit Berührung wird die soziale Zugehörigkeit unmittelbar und greifbar. Liebevolle Berührung vermittelt Geborgenheit, Entspannung und Sicherheit. (In angstbehafteten Situationen rücken wir automatisch näher zusammen oder greifen uns instinktiv an den Händen.) 
Für ein harmonisches Miteinander müsste eigentlich immer wieder körperliche Bindung hergestellt werden, damit (soziale) Ordnung und Vertrauen herrschen können. Nur wurde in unserem Kulturkreis diese Form der Kommunikation durch Regeln, Gesetze und Höflichkeit ersetzt.

Alle uns bekannten Kulturen der Menschheitsgeschichte waren stark kollektivistisch und weit verbreitet war das Prinzip: Ein Mensch kann nur unter Menschen, Mensch sein (d. h. soziale Zugehörigkeit ist eine notwendige Voraussetzung für erfüllendes und lebenswertes Leben). Deswegen gehört(e) soziale Ausgrenzung zu den härtesten Strafen. Ein Problem der heutigen Zeit ist, dass wir modernen Menschen zwar nicht ausgegrenzt sind – wir leben unter Menschen, dürfen weitestgehend an der Gesellschaft teilhaben – unser Körper sich jedoch ausgegrenzt fühlt, da er nur selten oder gar nicht in den Genuss bedingungsloser körperlicher Zuwendung kommt. 1000 Likes auf Social Media, gut gelaunte Online-Meetings oder sogar freundschaftliche Gespräche in Präsenz: Nichts davon kann eine herzliche Umarmung ersetzen – ohne absichtslose, liebevolle Berührung fehlt uns etwas Wesentliches. Und auch wenn der Kopf sich freut, die Anerkennung und den netten Austausch schätzt und als Verbundenheit einordnet, der Körper fühlt sich dennoch allein und ausgestoßen und reagiert mit archaisch tief verwurzelten Mustern: Er hat Todesangst, spürbar für uns Menschen in Form von Gefühlen wie Einsamkeit und Sinnentleerung. Ein Problem der heutigen Zeit ist das Fehlen von Verbundenheit, wie sie nur wertschätzende, liebevolle Berührung vermitteln kann. Auch Menschen, die Freunde, Arbeitskolleg:innen, vielleicht Liebesbeziehungen oder/und multiple sexuelle Partner:innen haben, spüren oft eine tiefe und schmerzhafte Einsamkeit, weil sie zu selten in den Genuss von absichtsloser, liebevoller Berührung kommen.

„Viel Kälte ist unter den Menschen, weil wir nicht wagen, uns so herzlich zu geben, wie wir sind.“ – Albert Schweitzer

Kulturelle Unterschiede im Zusammenhang mit Berührung

Die Art und Weise, wie Menschen Berührungen zeigen und erleben, variiert beträchtlich von einem Kulturkreis zum anderen. Eine faszinierende Untersuchung verglich die Häufigkeit von Berührungen während einer einstündigen Unterhaltung in verschiedenen Ländern und enthüllte erstaunliche Unterschiede: Während sich Menschen in England im Durchschnitt nur etwa zwei Mal berühren, steigt diese Zahl in Frankreich auf etwa 110 Mal und in Puerto Rico sogar auf beeindruckende 180 Mal an. Neben der Häufigkeit spielt natürlich auch die Bedeutung von Berührung in verschiedenen Gesellschaften eine Rolle. Während in einigen Kulturen körperliche Distanz und Zurückhaltung als Zeichen von Respekt und Höflichkeit gelten, werden in anderen Kulturen häufige Berührungen als Ausdruck von Nähe, Vertrautheit und Wärme angesehen.
Die Auswirkungen dieser kulturellen Unterschiede auf das menschliche Wohlbefinden wurden ebenfalls in der Studie untersucht. Sie zeigt, dass die Lebenslust und -freude einer Person eng mit der Häufigkeit der gegenseitigen Berührungen korrelieren. In Gesellschaften, in denen Berührung ein integraler Bestandteil des sozialen Austauschs ist, erleben die Menschen oft ein höheres Maß an emotionaler Verbundenheit und Zufriedenheit.

Fazit – Glück durch Berührung

Heutzutage gilt glücklich zu sein allgemein als eine Frage der Voraussetzungen (mein Haus, mein Boot, mein Job, mein Aussehen, mein Bankkonto, mein Elternhaus, mein Social-Media-Profil …). Glück hat jedoch nur sehr kurzzeitig mit der Erfüllung von Wünschen zu tun (sogenannte Glücksmomente), denn sehr schnell tritt der Gewöhnungseffekt ein und das neu Erreichte wird als gegeben angesehen und löst keine Glücksgefühle mehr aus.
Dauerhaftes Glück hingegen entsteht im Zusammenhang mit Zugehörigkeit und Verbundenheit, mit fühlen, spüren, berühren und berührt werden, sich gesehen und angenommen fühlen. Wir sind Berührungswesen und für ein intaktes Gefühlsleben ist es notwendig, in Verbindung zu sein, Geborgenheit zu erfahren und das Gefühl und die Sicherheit zu haben, dazuzugehören. Ist dieses Grundbedürfnis nicht erfüllt, kann ein Gefühl der Sinnlosigkeit, Leere, Unzufriedenheit und Demotivation entstehen, bis hin zur Depression. Einsamkeit, Berührungs- und Intimitätsmangel sind die Gründe, warum viele Menschen unserer Gesellschaft so unglücklich sind (und ihr Leben als Hölle bezeichnen), obwohl sie im Vergleich zu Obdachlosen, Schwerkranken oder großen Anteilen der Erdbevölkerung ein wunderbares Leben haben. (Sie leben in Sicherheit und Wohlstand [es herrscht Frieden, die lebensnotwendige und gesundheitliche Versorgung ist gesichert, eine Teilhabe am Leben ist gewährleistet …].) Doch reicht diese Grundversorgung nicht aus, um sich dauerhaft glücklich zu fühlen, und mehr Wohlstand ist hier nicht die Lösung, denn auch erfolgreiche, wohlhabende, jedoch einsame Menschen, fühlen diesen besonderen Stich im Herzen, wenn sie ein liebevolles, sich küssendes oder händchenhaltendes Pärchen oder eine gemeinsam lachende, sich umarmende Clique von Freund:innen sehen. Nicht die Fülle an Geld ist ausschlaggebend (auch wenn sie durchaus zu Entspannung und Glück beitragen kann), sondern es ist die Verbundenheit mit anderen, die uns mit tiefer Zufriedenheit und Glück beschenkt. Es sind die Fülle und die Tiefe unserer sozialen Beziehungen, die unserem Leben einen Sinn verleihen.
Deshalb ist es von großer Bedeutung, das gesellschaftliche Bild von Kuscheln zu überdenken und zu verändern. Es sollte allgemein Konsens sein, dass achtsame und liebevolle Berührung mit anderen Menschen weder etwas Sexuelles noch Merkwürdiges an sich hat. Im Gegenteil: Die Fähigkeit, achtsame und liebevolle Berührung zu teilen, insbesondere durch einfaches Kuscheln, ist etwas ganz Natürliches. Kuscheln ist keine Mode, kein Lifestyle, keine neue Erfindung, im Gegenteil: Kuscheln ist älter als die Menschheit selbst und in unserer DNA eingeschrieben – wir haben es nur verlernt. Es liegt an uns, unser Leben und unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass wir all unsere Grundbedürfnisse erfüllen können. Die Möglichkeit, bedingungslose emotionale Berührung zu erhalten, sollte als grundlegendes Menschenrecht betrachtet werden.

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