Kuscheltherapie und die Begleitung von trauernden Menschen

In diesem Artikel möchten wir einen kurzen Einblick in das Thema Trauer und Trauerbegleitung geben. Wir wollen grundsätzliche Dinge aufzeigen, Anstöße geben und dazu einladen z. B. das eigene Bild von Trauer und „wie sieht ein trauernder Mensch aus“ zu hinterfragen.
Auch gehen wir auf den Aspekt der berührenden Begleitung ein. Wie kann Kuscheltherapie die Arbeit mit trauernden Menschen unterstützen? Jessica Zeckert, Co-Autorin dieses Artikels, Kuscheltherapeutin und ausgebildete Trauerbegleiterin stellt ihre Arbeit darüber hinaus in einem Video vor.

„Trauern ist die Lösung, nicht das Problem.“ (Chris Paul – Trauerbegleiterin, Autorin)

Trauer – unser allgemeines Verständnis

Trauer wird im Allgemeinen als der Ausdruck des Verlustes einer engen Bindung verstanden und als der Weg zur Wiedererlangung des seelischen Gleichgewichts. Im Zusammenhang mit Trauerarbeit, Trauerbegleitung oder Trauergruppen denken wir in der Regel an Trauernde, die den Tod einer nahestehenden Person bewältigen müssen. Doch auch der Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung, eines Partners oder einer Partnerin aufgrund von Trennung, selbst der Verlust eines Haustieres oder eines bedeutenden Gegenstands kann starke Trauer auslösen, ebenso eine lebensbedrohliche bzw. lebensverändernde medizinische Diagnose.
Das Ereignis an sich, abhängig von der Qualität und Intensität der Bindung, ist gravierend und versetzt die zurückgelassene Person in einen emotionalen Ausnahmezustand. Dabei wirkt sich das Erleben/Durchleben von Trauer körperlich, emotional, spirituell und sozial auf die trauernde Person aus.

Trauern ist ganz normal

Zunächst ist Trauer Teil unseres Lebens. Trauer ist ein natürlicher und normaler Prozess, der durch den Verlust einer engen emotionalen Bindung ausgelöst wird, und es ist ein Prozess, den jeder Mensch in seinem Leben (mehrmals) durchläuft.
 Dennoch wird Trauer in unserer Gesellschaft oft nicht angemessen wahrgenommen. Sie verunsichert nicht nur die betroffene Person, sondern auch ihr Umfeld und wird demzufolge (bewusst oder unbewusst) eher ignoriert, übersehen oder unterdrückt. Dass man sich als trauernder Mensch z.B. Unterstützung in Form einer professionellen Trauerbegleitung suchen kann, wissen viele gar nicht. Menschen, die Trauerbegleitung anbieten, haben ein großes praktisches Wissen um das Thema Trauer und kennen auch die unterschiedlichen Theorien der Trauerforschung, die dann in ihre Begleitung einfließen.

Trauermodelle und Trauerphasen – der Weg der Trauernden

Die Art und Geschwindigkeit, mit der Trauer erlebt und durchlebt wird, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Trauermodelle können hier helfen, Trauernde besser zu verstehen und zu begreifen, was sie gerade durchmachen. Und auch den Trauernden helfen sie, sich selbst besser zu verstehen. Denn oft stellen sie sich Fragen wie: „Was ist nur los mit mir?“ / „Wann hört das auf?“ / „Ist das überhaupt angemessen?“ / „Sollte ich nicht schon weiter sein und es endlich überwunden haben?“ …
Es gibt viele verschiedene Modelle und jedes Modell hilft auf seine Art, Trauer ein wenig besser zu verstehen und bildet in der ein oder anderen Form die Grundlage von Trauerbegleitung. Am Ende ist es wichtig, dass Trauernde sich in dem Modell wiederfinden können und es sie unterstützt, ihre Trauer zu durchleben. An dieser Stelle bieten wir einfach eine kleine Aufzählung verschiedener Modelle (die sich z. T. in Abläufen, Definitionen und Kriterien sehr ähneln) – ohne ausführliche Beschreibung oder Interpretation. Das einzige, das wir ausführlicher vorstellen werden, ist das von Anemone Zeim von „Vergiss mein nie“, da Jessica vorrangig damit arbeitet.

  • John Bowlby und Colin Murray Parkes: 
Betäubung – Sehnsucht/Verzehrung – Abbruch/Verzweiflung – Neuaufbau/Reorganisation
  • Verena Kast: Nicht wahrhaben Wollen – Aufbrechen chaotischer Emotionen – Suchen, Finden, sich Trennen – neuer Selbst- und Weltbezug
  • Elisabeth Kübler-Ross
: Nicht wahrhaben Wollen – Zorn – Verhandeln – Schwermut/Niedergeschlagenheit – Annahme
  • Ruthmarijke Smeding
: Schleusenzeit – Januszeit – Labyrinthzeit – Regenbogenzeit
  • Chris Paul 
Kaleidoskop-Modell: Start – Überleben – Wirklichkeit – Gefühle – sich Anpassen – verbunden Bleiben – Einordnen
  • Yorick Spiegel
: Schock – Kontrolle – Regression – Adaption
  • William Worden
: Die Realität des Verlustes akzeptieren – Den Trauerschmerz erfahren und durcharbeiten – Sich einer Umgebung anpassen, in der der Verstorbene fehlt – Dem Verstorbenen emotional einen neuen Platz zuweisen – Lernen, die Erinnerung der Beziehung mitzunehmen und weiterleben.
  • Margaret Stroebe und Henk Schut: 
Verlust-orientiert (loss-oriented) vs. Wiederherstellung-orientiert (restoration-oriented)

Nach heutigem Verständnis zeigen die Modelle und deren Phasen zumeist auftretende Reaktionen und innere Themen auf, die jedoch nicht linear verlaufen, sondern sich vermischen, überschneiden, in unterschiedlicher Intensität auftreten und sich sogar wiederholen können.

Trauer ist Weinen, oder nicht?

Wir haben nun einen kurzen Überblick über unterschiedliche Theorien zu Trauer und ihren Phasen erhalten. Doch wie äußert sich Trauer eigentlich? Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Trauernde zwangsläufig weinen sollten. Doch Weinen ist nicht für jede:n ein Ausdruck von Trauer. Einige Menschen weinen sofort und ausdauernd, während andere erst nach langer Zeit weinen und manche sogar nie. Es ist wichtig, verschiedene Reaktionen auf Trauer wertzuschätzen, anzuerkennen und keinen zusätzlichen Druck auf Trauernde auszuüben. 
In der Arbeit mit Trauernden, also in der Trauerbegleitung, ist es entscheidend, individuelle Bedürfnisse und Reaktionen zu respektieren und zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten oder zu interpretieren. Trauer ist ein komplexes und persönliches Erlebnis, das von jedem Menschen anders durchlebt wird.
 Dabei sind die Trauerreaktionen vielfältig: So kann es zu körperlichen Symtomen, wie bleierne Müdigkeit, Unruhe, Herzrasen, Appetitmangel oder auch psychischen Reaktionen wie Depressionen, sozialer Rückzug, Burnout, Angstzuständen kommen.

Trauer ist individuell

Jeder Mensch trauert anders und um unterschiedliche Dinge, in unterschiedlicher Intensität und Dauer. In der Trauerbegleitung weiß man, dass es keine Norm, kein Rezept und keine Anleitung dafür gibt, wie „richtig“ getrauert werden sollte. Das Verständnis für die Individualität des Trauerprozesses ist jedoch ein wichtiger erster Schritt im Umgang mit dem Thema Trauer – sei es die eigene Trauer oder der Umgang mit Trauernden.

Trauer endet nicht

Inzwischen wird davon ausgegangen, dass der Schmerz um den Verlust nicht ein bestimmtes eindeutiges Ende findet / finden muss. Die Vorstellung, den:die Verstorbene:n „loslassen zu müssen“, ist in der modernen Trauerforschung nicht mehr weit verbreitet. Denn wir trauern, weil wir uns diesem Menschen verbunden fühlen – auch wenn er tot ist. Warum sollten wir so tun, als hätte es diesen Menschen nicht gegeben, einen Menschen, den wir geliebt haben und der unser Leben (mit-) geprägt hat? Stattdessen geht es darum, dem:der Verstorbenen und der Erinnerung an ihn:sie einen Platz im Leben zu geben und die Beziehung zu ihm:ihr neu zu gestalten. Für manche Menschen bleibt es ein Leben lang schmerzhaft, für andere geht der Schmerz weg und dazwischen gibt es alle Abstufungen, da Trauer ein individueller Prozess ist.
In diesem Prozess kann eine professionelle Trauerbegleitung eine gute Unterstützung sein. So werden der Schmerz und der erlittene Verlust in das Leben integriert und viele schaffen es im Laufe der Zeit und mit besserer Bewältigung der Trauer, in der Rückschau positiv und mit Dankbarkeit auf die verstorbene Person zu schauen. Dabei kann die Trauer auch immer wieder mal aufbrechen und Thema werden, z. B. bei bestimmten Ereignissen (erneuter Todesfall, Todestag/Geburtstag der verstorbenen Person), einem Detail (Ort, Gegenstand, Geruch), das eine Erinnerung weckt oder sogar durch ein freudiges Ereignis (die Geburt eines eigenen Kindes, Hochzeit). Haben sich Trauernde in der Akutphase der ursprünglichen Trauer bewusst mit ihrer Trauer auseinandergesetzt, kann dieser „Trauerflashback“ um den:die Verstorbene:n dann meist gut und schneller bewältigt werden.

Trauer geht ihren ganz eigenen Weg

Wie jemand trauert, wie sich dies äußert, wie lange und wann, ggf. auch erst nach Monaten/Jahren oder immer mal wieder, lässt sich nicht in Regeln oder Phasen festlegen. Deshalb gibt es zwei Grundsätze für die Trauerbegleitung in der Arbeit und Begegnung mit trauernden Menschen: Wertungen vermeiden und die Ressourcen der Trauernden nutzen bzw. stärken.
Wenn wir Trauernden begegnen, hilft es den ihnen, wenn wir die Reaktionen und Stimmungen wahrnehmen und akzeptieren, aber nicht bewerten oder interpretieren. Sonst kann es leicht zu Fehldeutungen kommen, aufgrund des eigenen Empfindens, aufgrund eigener oder anderer Trauererfahrungen oder aufgrund dessen, wie in unserer Gesellschaft Trauer (an-)gesehen und gelebt wird. Aussagen wie z. B. „Du weinst ja gar nicht.“ führen dann beim:bei der Trauernden zu einer zusätzlichen emotionalen Belastung und verstärken ggf. das Gefühl „Ich bin nicht normal und meine Trauer ist nicht normal“.
Diese Reaktionen sind in der Regel auch die Ressource im Umgang mit dem Verlust und zeigen auf, was die betroffene Person gerade braucht – oftmals ist es ein ständiger (manchmal auch sehr schneller) Wechsel von gegensätzlichen Verhaltensweisen, die jedoch ihren Nutzen haben: Wer z. B. Sport treiben, handwerken oder in einer Gruppe aktiv sein möchte, sollte dies tun. Oftmals folgt dann auf eine (über-)aktive Phase eine Phase des Zurückziehens, der Einsamkeit, des Suchens nach Ruhe oder tiefen Gesprächen. Dieser Wechsel zwischen den Zuständen „Aktivität“ und „Ruhe“ hilft laut Erkenntnissen der Hirnforschung dabei, neue Synapsen wachsen zu lassen, sprich: Neues zu lernen. Denn letztlich muss die trauernde Person lernen, ein verändertes Leben ohne die verstorbene Person zu führen.

Wie kann Berührung trauernden Menschen helfen?

Alle Menschen brauchen Berührung in ihrem Leben – sowohl auf der körperlichen als auch auf der seelischen Ebene. Körperliche Berührung kann trauernden Menschen auf verschiedene Weisen helfen:

  • Tröstende Wirkung: Berührung spendet Trost und vermittelt das Gefühl von Geborgenheit. Ein einfacher Händedruck, eine Umarmung oder eine sanfte Berührung am Arm können das Gefühl vermitteln, dass jemand für sie da ist und sie unterstützt.
  • Reduktion von Stress: Berührung reduziert erwiesenermaßen Stress und das Nervensystem kann so beruhigt werden. Durch den Kontakt mit anderen Menschen wird das Hormon Oxytocin freigesetzt, das Gefühle der Zuneigung und des Wohlbefindens fördert.
  •  Ausdruck von Mitgefühl: Berührung ist ein Ausdruck von Mitgefühl und Verbundenheit. Wenn trauernde Menschen spüren, dass jemand einfühlsam ist und ihre Gefühle teilt, kann dies durch eine liebevolle Berührung zusätzlich verstärkt werden.
  • Kommunikation ohne Worte: Oftmals können Worte nicht ausdrücken, was trauernde Menschen fühlen. In solchen Momenten kann eine einfache Berührung mehr sagen als tausend Worte und ihnen das Gefühl geben, verstanden und akzeptiert zu werden.
  • Unterstützung bei der emotionalen Verarbeitung: Berührung kann trauernden Menschen helfen, ihre Emotionen zu verarbeiten und sich weniger allein mit ihren Gefühlen zu fühlen. Der physische Kontakt vermittelt ihnen Sicherheit und Geborgenheit, was die Bewältigung der Trauer erleichtert.
  • Unterstützung beim Loslassen: So wird eine Person bei einer liebevollen Berührung vielleicht wirklich erleichtert (und endlich) in Tränen ausbrechen und angestaute Emotionen loslassen. Professionelle Begleitung ist dabei besonders wertvoll, da Laien oft Schwierigkeiten haben, emotionale Ausbrüche auszuhalten, ohne das Bedürfnis zu verspüren, diese „wegmachen“ zu wollen.
  • Halt geben: Viele Trauernde fühlen sich allein und haben niemanden, der sie in den Arm nimmt und ihre Trauer mit ihnen aushält. Hierbei ist ein tiefes, liebevolles Halten gemeint, das länger als nur ein paar Sekunden andauert und das Gefühl von Unterstützung verstärkt.
  • Beruhigende Wirkung: Wenn starke, überwältigende Gefühle bei Trauernden hochkommen, können diese als äußerst bedrohlich empfunden werden. Der Tod eines geliebten Menschen hat ihre Welt bereits erschüttert, sodass sie oft Angst haben, das Chaos der Gefühle zuzulassen, da es ihre letzte verbleibende Stabilität gefährden könnte. Eine liebevolle Umarmung oder das Halten kann ihnen jedoch helfen, zu erkennen, dass das zunächst unerträgliche Gefühl durch Berührung und Ruhe einen Platz findet, sich verwandelt und erträglicher wird. Die Zuwendung durch Berührung kann das innere Chaos unterbrechen, beruhigen und Raum für Heilung schaffen.

Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Grenzen zu respektieren und einfühlsam auf die Bedürfnisse der trauernden Person einzugehen. Einige Menschen wünschen sich in bestimmten Phasen der Trauer Berührung, in einer anderen nicht, während andere Personen grundsätzlich einen größeren Abstand bevorzugen.

Wie verbindet Jessica Trauerbegleitung und Kuscheltherapie?

Wenn jemand zu mir in die Trauerbegleitung kommt, dann stehen der Tod und mit ihm die Trauer als das alles überwältigende Gefühl im Vordergrund. Und auch wenn wir alle wissen, dass wir definitiv sterben müssen, denn hiergeblieben ist schließlich noch keiner, überrumpelt der Tod uns doch irgendwie immer.
Der Tod ergibt für die Hinterbliebenen einfach keinen Sinn. Vielmehr hinterlässt er sie mit einem Gefühlschaos, das manchmal so verworren ist wie der berüchtigte Gordische Knoten. Die Trauernden in meiner Praxis haben anfänglich einen enormen Redebedarf. Es sprudelt alles aus ihnen heraus. Sie versuchen das Unfassbare, die Unmöglichkeit und ihre Trauer in Worte zu fassen. Sprache und damit Worte sind für sie die vermeindlich naheliegenste Art der Kommunikation. Doch oftmals wird diese Kommunikation beeinflusst und damit eingeschränkt von gesellschaftlichen und eigenen Erwartungen.
Wenn sich in die Trauer Erleichterung über den Tod oder auch Wut mischt, dann irritiert das mitunter das Umfeld der Trauernden, wenn sie diese aussprechen. So kann es vorkommen, dass Gefühle, die tief drinnen verborgen und vergraben sind, nicht mehr gehört werden. Doch trotzdem arbeiten die Gefühle natürlich weiter. Sie verschwinden nicht einfach.
Verstirbt ein uns nahestehender Mensch (oder auch Tier) kann dies eine Krisensituation auslösen. Dann fängt es oft an, unter der Oberfläche zu brodeln. Wir können uns das mit Hilfe des Eisbergmodells vorstellen: (Hier kannst du es anschauen, wenn du nicht damit vertraut bist.) An der Oberfläche (sichtbare Ebene) kann man die Trauer erkennen, doch darunter (auf der unsichtbaren Ebene – die Bezeichnungen Beziehungs- und Sachebene sind in der Trauerbegleitung nicht wichtig) befindet sich ein Potpourri an Gefühlen wie Wut, Angst, Enttäuschung, Unsicherheit, Einsamkeit, Erleichterung, Verwirrung, Schmerz . Im besten Falle platzt es aus uns heraus, im schlechtesten Falle erstarren wir (fight, flight, freeze). Doch dieser Zustand kann Angst machen, überfordern oder in eine Krise führen, bei der wir nicht mehr wissen, wie wir dort jemals wieder herauskommen sollen.
Deswegen nutze ich bei der Trauerbegleitung auch oft die Berührung, das Kuscheln, um den Zustand des inneren Chaos, der Verzweiflung und der Ratlosigkeit zu unterbrechen. Berührung beruhigt. 
Viele Trauernde sind auch einfach allein und es ist niemand da, der sie in den Arm nimmt und ihre Trauer aushält. Und mit aushalten, meine ich auch wirklich ein Halten, das über 30 Sekunden hinausgeht. Wenn bei Trauernden mächtige, überwältigende Gefühle an die Oberfläche kommen, fühlt sich das für sie unglaublich bedrohlich an, denn schließlich ist ihre Welt durch den Tod ihres geliebten Menschen schon komplett aus den Fugen geraten, so dass sie oft Angst haben, das Chaos der Gefühle nach draußen zu lassen. Es könnte das letzte bisschen Stabilität zerstören. Wenn sie sich aber auf die Umarmung, das Halten mit mir einlassen, merken sie oftmals, dass das, was sich zunächst vielleicht lebensbedrohlich und nicht aushaltbar anfühlt, mit der Berührung, dem Halten und auch der Ruhe und Zeit dabei, einen Platz bekommt, sich verwandelt und weicher und aushaltbarer wird.
In meiner Arbeit in der Trauerbegleitung nutze ich gerne zum Veranschaulichen der Trauer die Trauerlandkarte von Anemone Zeim von Vergiss mein nie. Diese und das Kuscheln sind in meiner Arbeit große Hilfen, um Trauer begreifbar zu machen, um schlussendlich mit ihr leben zu können. Ich verspreche meinen Klient:innen nie, dass alles gut wird oder so wie vorher. Ich helfe ihnen, ihren eigenen individuellen Weg zu finden. Der Tod ist ein Arsch! Keine Frage! Aber auch wenn es schwer ist, darf es leicht sein! Und mit Kuscheln und Reisebegleitung auf dem langen Weg der Trauer ist es immer leichter.

In diesem Video stellt Jessica Zeckert ihre Arbeit als Trauerbegleiterin und Kuscheltherapeutin vor.

„Auch wenn es schwer ist, darf es leicht sein.“ – Jessica Zeckert

Die Trauerlandkarte

Neben den bekannten Phasenmodelle für Trauer gibt es mittlerweile neuere, eines davon ist die Trauerlandkarte, die eine gute Möglichkeit bietet, sich als Trauernde:r und auch als Begleiter:in in der Trauer zu orientieren.
Es gibt 4 Regionen und in den Regionen verschiedene „Sehenswürdigkeiten“.
Wie ein:e Reisende:r kann man sich auf der Karte fortbewegen. Zum einen unterstützt es beim Verständnis der eigenen Trauer und zum anderen kann man für sich auch Handlungsmöglichkeiten daraus ableiten oder auch verstehen, warum man gerade genauso agiert und reagiert. Die Trauerkarte ist eine von vielen Möglichkeiten, sich mit Trauer auseinanderzusetzen. Sie lässt Trauernden die Freiheit, auch immer wieder in die Bereiche zu „reisen“, die schmerzhaft oder schwierig sind. Dadurch wird deutlich, wie individuell Trauer sein kann. Es gibt nicht den einen richtigen Weg! Trauer geht auch nicht weg, sie verändert sich. Sie gehört zu unserem Leben dazu, denn sie ist es, die uns zeigt, dass wir Beziehungen haben, dass wir lieben können. Keine:r trauert um jemanden oder etwas, was bedeutungslos für ihn:sie war. Trauer trifft uns tief im Herzen genauso wie die Liebe. Eine Kollegin hat es sehr passend formuliert:

„In der Trauer geht es nicht darum, sie wegzumachen. Vielmehr ist es ein Prozess, in dem im besten Fall die Trauer vom Feind zum Freund wird.“

Blinder Fleck / Süden:
Hier beginnt meist die Reise durch die Trauer. Der Verlust ist ganz frisch und der Mensch ist in einer Art Schockzustand. Das kann sich in vielerlei Hinsicht äußern. Der:Die eine ist im Überlebensmodus und funktioniert wie ein Roboter. Der:Die nächste versucht einfach nur allen Schmerzen auszuweichen (hier symbolisiert durch Stacheln und spitze Gegenstände). Der Verlust fühlt sich noch unwirklich an, genauso wie die Gegend hier. Es gibt Möglichkeiten, sich zu verstecken bzw. viele Dinge, die man in dieser Zeit tut, sind nicht unbedingt zielführend. Trauernde kämpfen hier mit sehr unterschiedlichen Zuständen, wie Unsicherheit, Unverständnis von anderen, Angst und/oder Ratlosigkeit. Gleichzeitig versuchen sie, diese abzuwehren.

Herzbruch / Westen:
Diese Gegend symbolisiert die Zeit der unkontrollierbaren Gefühle; die Zeit, in der die Tatsache des Verlustes unumstößlich ist; nicht selten auch die Zeit, nachdem die administrativen und notwendigen Dinge erledigt sind (Beerdigung, Haushaltsauflösung, Erbschaft); wenn der:die Trauernde die Kapazität hat, endlich der Trauer und den damit verbundenen Gefühlen einen Raum zu geben. Häufig hat aber dann das Umfeld schon längst den Krisenmodus verlassen, da sie denken, mit dem Abschluss von Beerdigung, Haushaltsauflösung etc. sei die Trauer abgeschlossen. Dabei geht es hier erst richtig los. Wenn Trauernde sich in dieser Gegend aufhalten, werden sie von Gefühlen und Erinnerungen überschwemmt. Da kommt oft Wut, Sehnsucht und auch Enttäuschung hoch. Es gibt hier nicht wirklich eine Abkürzung. Die Gefühle, die sich zeigen, müssen gelebt werden, wenn man weiterreisen möchte.

Erinnerungswald / Osten:
Hier geht es darum, die Erinnerungen, die man an die gemeinsame Zeit hat, zu sortieren. Hier wird es oft aktiver. Fotos werden sortiert, es werden nochmal Erinnerungsstücke darauf geprüft, ob man sie wirklich behalten möchte. Hier ist der Prozess der Trauerintegration voll im Gange. Trauernde entscheiden sich bewusst, welche Erinnerungen sie pflegen wollen. Trotzdem kann es auch hier wieder zu starken Trauerphasen kommen, die sich lähmend anfühlen. Das gehört dazu und es kommt immer mehr zur Integration der eigenen Trauer in dieses neue Leben.

Morgenland / Norden:
In dieser Region fangen Trauernde wieder an, in die Zukunft zu blicken, die ersten zaghaften Pläne zu schmieden. Verstorbene haben einen festen Platz in der Erinnerung genauso wie die Trauer selbst. Sie darf hier mitreisen, aber es dreht sich nicht mehr alles ausschließlich um sie. Trauernde schauen auf ihren persönlichen Trauerweg zurück und sind in der Lage, zwischen den guten und den schwierigen Momenten zu unterscheiden. Sie wissen, dass sie immer wieder Tage haben werden, in denen ein Kurztrip z.B. in die Region Herzbruch ansteht, aber das Bedrohliche und Lähmende ist überwunden. Es ist wieder Zeit, eigene Wünsche an das Leben zu stellen und diese mit Energie zu verfolgen.

Schulung „Umgang mit Trauer im Einzel- und Gruppensetting“

In dieser Schulung mit Jessica und Angeline beschäftigen wir uns damit, wie wir in unserer Arbeit – sei es die Einzelbegleitung (Kuscheltherapeut:in, Somatische:r Coach:in …) oder sei es als Facilitator von Gruppenarbeit (Workshops, Kuschelpartys …) – mit Menschen umgehen können, die in Trauer sind, bei denen während der gemeinsamen Arbeit Trauer an die Oberfläche kommt oder bei denen im Verlauf der Arbeit bzw. Begleitung ein Trauerfall stattfindet.
Die Schulung stellt keine Ausbildung in Trauerbegleitung dar, vielmehr soll sie sensibilisieren, um Fehler zu vermeiden und Handwerkszeug vermitteln, um unterstützend begleiten zu können.
Wenn du mit Menschen in berührenden Räumen arbeitest, ist diese Schulung vielleicht auch für dich interessant.

Hier geht es zur Schulung.

„Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren.“ 
- Johann Wolfgang von Goethe