Die Geschenke der Verletzlichkeit und warum Mut sich auszahlt

Verletzlichkeit ist ein Begriff, der oft mit Schwäche und Angst in Verbindung gebracht wird. In unserer Gesellschaft wurde uns beigebracht, dass es besser ist, stark und unerschütterlich zu sein, als unsere wahren Gefühle zu zeigen. Doch immer mehr Forscherinnen und Forscher, darunter auch Brené Brown, haben uns gelehrt, dass Verletzlichkeit eigentlich eine Quelle der Stärke und des Wachstums sein kann. In diesem Artikel wollen wir gemeinsam erkunden, wie Verletzlichkeit unser Leben bereichert und uns ermöglicht, authentischer zu sein und tiefere Verbindungen zu schaffen. Und wir zeigen dir Möglichkeiten, wie und warum du Verletzlichkeit im KuschelRaum üben kannst.

„Verletzlichkeit ist der Geburtsort von Innovation, Kreativität und Veränderung.“ – Brené Brown

Über Verletzlichkeit

Die Bedeutung der Verletzlichkeit
Verletzlichkeit wird definiert als den Mut, sich zu zeigen und gesehen zu werden, ohne die Kontrolle über das Ergebnis zu haben. Es geht darum, sich authentisch und ehrlich zu präsentieren, ohne eine Fassade aufrechtzuerhalten. Verletzlichkeit erfordert den Mut, unsere Unsicherheiten, Ängste und Schwächen anzuerkennen und anzunehmen. Es ist ein Akt des Vertrauens in uns selbst und in andere Menschen.

Verletzlichkeit als Grundlage für Wachstum
Obwohl es beängstigend sein kann, sich verletzlich zu zeigen, ist es doch der erste Schritt zu persönlichem Wachstum und Entwicklung. Indem wir unsere Verletzlichkeit akzeptieren, können wir unsere Ängste überwinden und uns neuen Möglichkeiten öffnen. Verletzlichkeit ermöglicht es uns, unsere Komfortzone zu verlassen und uns neuen Erfahrungen auszusetzen, die uns wachsen lassen. Es eröffnet uns die Chance, uns selbst besser kennenzulernen und unsere emotionalen Grenzen zu erweitern.

Verletzlichkeit und Beziehungen
Eine der bedeutendsten Erkenntnisse im Zusammenhang mit Verletzlichkeit ist, dass sie die Grundlage für tiefere und erfüllendere Beziehungen bildet. Indem wir uns unseren Mitmenschen gegenüber verletzlich zeigen, schaffen wir eine Atmosphäre des Vertrauens und der Ehrlichkeit. Wir ermutigen andere dazu, sich ebenfalls zu öffnen und uns ihr wahres Selbst zu zeigen. Verletzlichkeit stärkt die zwischenmenschliche Verbindung und ermöglicht es uns, einander auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Es ist ein Akt der Offenheit und des Mitgefühls, der uns hilft, echte Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen.

Verletzlichkeit als Voraussetzung für Kreativität und Innovation
Aber Verletzlichkeit hat nicht nur Auswirkungen auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch auf unsere Kreativität und Innovationsfähigkeit. Indem wir uns erlauben, uns verletzlich zu zeigen, öffnen wir uns für neue Ideen und Herangehensweisen. Kreativität erfordert den Mut, sich auf Unbekanntes einzulassen und möglicherweise zu scheitern. Verletzlichkeit ermöglicht es uns, Risiken einzugehen und unseren kreativen Ausdruck zu entfalten. Es ist ein Sprung ins Ungewisse, der uns erlaubt, unsere kreativen Potenziale voll auszuschöpfen und Neues zu erschaffen.

Die Geschenke der Verletzlichkeit
Obwohl Verletzlichkeit mit Risiken verbunden sein kann, bietet sie auch zahlreiche Geschenke für unser Leben. Durch Verletzlichkeit können wir echte Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen, unser volles Potenzial entfalten und als authentische Individuen erblühen. Verletzlichkeit ermöglicht es uns, uns selbst zu lieben und anzunehmen, indem wir uns erlauben, verletzlich zu sein, ohne uns dafür zu verurteilen.

„Mut beginnt damit, aufzutauchen und uns selbst sichtbar zu machen.“ – Brené Brown

Verletzlichkeit – Warum uns oft der Mut fehlt

Die meisten von uns haben weder in der Kindheit, noch im frühen Erwachsenenalter gelernt, mit Emotionen umzugehen. Stattdessen haben wir gelernt, dass Verletzlichkeit Schwäche ist und das nichts Gutes aus Verletzlichkeit entstehen kann. Uns wurde ein: „Reiß dich zusammen.“ | „Sei nicht so empfindlich.“ |  „Ein Junge weint nicht.“ | „Hinfallen. Aufstehen. Krone richten. Weiter gehen.“ | „Nur die Harten kommen in den Garten.“ | „Sei kein Weichei.“ | „Niemand mag eine Heilsuse.“ | „Mach dich nicht angreifbar.“ |  „…“  vorgelebt und eingebleut.
Unsere Reaktion auf aufkommende Emotionen – den eigenen und denen von anderen – ist deshalb meist ein Gefühl des Unwohlseins und der Hilflosigkeit. „Was tun? Wie helfen? Wie dies beenden? Ist das unangenehm.“
Männer (mehr als Frauen) verwandeln ihre Angst oft in Wut, weil sie unfähig sind, mit der damit einhergehenden Hilflosigkeit, dem Kontrollverlust umzugehen. Alles ist besser, als diesen Gefühlen ausgeliefert zu sein und nichts tun zu können. Sie werden wütend und dies kann solche Ausmaße annehmen, dass sie sich die eigenen Handknochen brechen, weil ihnen nur bleibt, gegen eine Wand zu schlagen. Sie starten blinden Aktionismus, einfach um etwas tun zu können. Die Ohnmacht ist nicht auszuhalten, besser sie in Wut konvertieren, dann fühlen sie sich zumindest wieder stark und haben ein vermeintliches Gefühl der Kontrolle. Nur ist dies ein Ablenken vom Geschehen, ein Aussteigen. Eine wirkliche Verarbeitung und Integration kann so nicht stattfinden. Wie dies in gesundem Ausmaß geschehen kann, wissen viele nicht, haben die meisten nie erlebt – weder bei anderen, noch bei sich selbst.

„Verletzlichkeit klingt wie die Wahrheit und fühlt sich wie Mut an. Wahrheit und Mut sind nicht immer bequem, aber sie sind niemals Schwäche.“ – Brené Brown

Schmerz nicht fühlen zu wollen, bedeutet, Freude nicht spüren zu können

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir uns durch das Vermeiden von „negativen“ Emotionen auch von „positiven“ Gefühlen abschneiden. Es ist nicht möglich, selektiv zu fühlen. Wenn wir Schmerz, Angst, Scham, Wut und Trauer nicht zulassen, verhindern wir gleichzeitig auch Freude, Liebe und Nähe in unserem Leben zu spüren. Wir stecken in einem Teufelskreis fest. Wir fühlen vielleicht Einsamkeit, Hilflosigkeit, Wut und Trauer und verschließen uns dann vor diesen Gefühlen, weil wir sie gar nicht oder in ihrer Heftigkeit nicht spüren wollen. Wir vermeiden das Spüren, indem wir uns ablenken oder uns betäuben, z.b. mit Essen, Drogen oder sinnlosem Konsum, um kurzfristige Erleichterung zu finden. Doch dann werden wir tatsächlich tauber und können auch Gefühle wie Freude, Liebe oder Verbundenheit nur noch wie durch einen Schleier oder eine dicke Schutzschicht wahrnehmen. Dann spüren wir Verlust, Sehnsucht nach mehr, Einsamkeit… und der Teufelskreis beginnt von vorn.
Ihn durchbrechen können wir nur, wenn wir uns allen Gefühlen stellen, alle zulassen, uns spürbar machen und wieder berühbar werden. Denn wahre Freude entsteht nicht nicht aus Konsum, sie entsteht durch erfüllende Beziehungen und echte Verbindung zu uns selbst und zu anderen. Und das geht nur, wenn wir uns zeigen, verletzlich zeigen und alle Gefühle zulassen, verletzlich sind.

„Scham zerfrisst genau den Teil in uns, der glaubt, dass wir zur Veränderung fähig sind.“ – Brené Brown

Berührende Räume, wie private Kuscheltreffen oder Kuschelpartys, können uns dabei helfen, unsere Verletzlichkeit anzunehmen und echte Verbindungen aufzubauen. In diesen Räumen können wir uns offenbaren und unsere Ängste, Trauer oder Scham teilen und dann die schöne Erfahrung machen, dafür nicht ausgeschlossen zu werden, sondern im Gegenteil sogar Unterstützung und gegenseitigen Halt zu finden. In diesen Räumen können wir unsere wahre Natur entdecken und in ihnen entsteht das Vertrauen, damit nicht falsch oder zuviel zu sein, sondern einfach menschlich. Indem wir uns verletzlich zeigen, ermutigen wir auch andere Menschen, dasselbe zu tun. Gemeinsam erschaffen wir eine Atmosphäre des Vertrauens und der Verbundenheit.

„Verbindung ist der Grund, warum wir hier sind; sie gibt unserem Leben Zweck und Bedeutung.“ – Brené Brown

Trauer, die häufigste Form der Verletzlichkeit

Ein besonderes Geschenk der Verletzlichkeit ist die Trauer, die sich besonders oft in berührenden Räumen zeigt.
Lassen wir alte Trauer los, befreien wir uns zu einem großen Teil von unserem emotionalem Ballast. Es kann sein, dass wir ein Jahr oder länger immer wieder alte Tränen weinen, aber irgendwann sind sie geweint. Dann sind wir tatsächlich verändert, leichter. Wir werden uns freier fühlen und unsere Mitmenschen werden im Umgang mit uns merken, dass wir weniger schwer, dafür fröhlicher, glücklicher und lebendiger sind. Wir verbreiten tatsächlich weniger Schwere. (Vielleicht fällt dir spontan jemand ein, der so ist?)

Hier stehen wir oft vor der Herausforderung, keinen Ort zu haben, um zu trauern, nie allein zu sind und/oder nur Menschen um uns herum zu haben, die nicht in der Lage sind, mit unserer Trauer angemessen und unterstützend umzugehen, die zum Beispiel versuchen, sie kleiner oder weg zu machen: „Ist ja gut.“ | „Ist doch nicht so schlimm.“ | „Hab dich nicht so.“ In berührenden Räumen darf Trauer einfach sein. Ein Beispiel hierfür finden wir in einigen arabischen Kulturen, in denen Frauen zusammenkommen, um eine andere Frau in ihrem Schmerz zu trösten und zu unterstützen. Sie bilden einen Schutz- und Haltekreis, in dem die Frau sich gehen lassen kann. Dieses Konzept der Unterstützung und des gemeinsamen Durchlebens von Trauer zeigt uns, wie wichtig es ist, miteinander über unsere Emotionen zu kommunizieren und uns gegenseitig beizustehen. Darf Trauer da sein, darf sie gezeigt werden, stärkt das das Vertrauen innerhalb der Gruppe. Zeuge von Trauer zu sein, erlaubt ebenfalls zu trauern. Gemeinsam Trauer zu erleben und durch Krisen zu gehen, stärkt das Vertrauen zueinander.

Im KuschelRaum erleben wir das wieder und wieder. Menschen kommen, werden sich ihrer Einsamkeit, ihrer Trauer bewusst. Trauen sich vielleicht noch nicht, sich anderen zuzumuten und ihrer Trauer Raum zu geben, erleben aber andere Menschen dabei, ihre Trauer, ihre Verletzlichkeit zu zeigen und rauszulassen. Sie beobachten, dass diese Menschen ein Teil der Gruppe bleiben, nicht verurteilt oder aus Strafe ausgestoßen werden. Und so wächst der Mut, sich ebenfalls zu zeigen, zu weinen, ja zu schluchzen. Irgendwann sind die Tränen geweint und dann werden diese Menschen zu Unterstützern derjenigen, die weinen. Sie werdern selbst zu Vorbildern für die Neulinge und halten mit den Raum, urteilen nicht, sondern begegnen sich gegenseitig in Mitgefühl.

„Mitleid ist nicht Mitgefühl bzw. Empathie. Mitleid lautet ‚Es tut mir leid, dass du das durchmachst‘; Empathie lautet ‚Ich fühle mit dir.’“ – Brené Brown

Um den Umgang mit Trauer in unserer Gesellschaft zu verändern, ist es wichtig zu lernen, miteinander über unsere Emotionen zu kommunizieren und sie zu zeigen. Und es ist notwendig zu lernen, um Hilfe zu bitten, wenn wir sie brauchen. Der KuschelRaum bietet dafür Raum.

FAZIT

Verletzlichkeit hat das Potenzial, unser Leben auf positive und transformative Weise zu beeinflussen. Indem wir uns erlauben, verletzlich zu sein, können wir uns mit unserer wahren Natur verbinden, uns authentisch ausdrücken und eine tiefere Verbindung zu anderen Menschen aufbauen. Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Mut und Stärke. Es ist an der Zeit, uns von den Ängsten zu befreien, die uns daran hindern, uns zu zeigen, und uns von den Geschenken inspirieren zu lassen, die die Verletzlichkeit in unser Leben bringt.

„Mut beginnt damit, aufzutauchen und uns selbst sichtbar zu machen.“ – Brené Brown

„Die Macht der Verletzlichkeit“ von Brené Brown – Ein inspirierender Talk, den wir sehr ans Herz legen.

Wenn du dich weiter mit dem Thema Verletzlichkeit und Berührung (berührbar werden und sein) auseinandersetzen möchtest, empfehlen wir dir unsere Kuschelworkshops. Dort kannst du die „Die Kraft der bewussten Berührung“ und „Kraft der Verbundenheit“ erfahren. Diese Workshops schaffen Räume, in denen du mit deiner Verletzlichkeit nicht allein sein musst und ohne Verurteilung angenommen wirst. Sie laden dich ein, dich zu öffnen und dein volles Menschsein zu entdecken.
Weitere Möglichkeiten sind unsere Kuschelpartys – in denen du in Gemeinschaft Verletzlichkeit leben kannst. Ist dies zuviel der Herausforderung empfehlen wir dir Kuscheltherapie, die Begegnung mit einem:r ausgebildeten:m Kuscheltherapeut:in. Hier triffst du auf einen Profi im Umgang mit Verletzlichkeit und kannst die Anonymität der 1:1-Session nutzen.