Consent – von A wie Achtsamkeit bis Z wie Zustimmung
Consent ist Teil einer wachsenden Kultur und eines neuen Zeitgeistes. Consent ist die Grundlage für jede berührende Begegnung. Consent ist Übungssache und je mehr wir üben, desto einfacher fällt es uns.
Wir im KuschelRaum legen sehr großen Wert darauf, dass jede Berührung einvernehmlich stattfindet und dass jede Person genug Zeit und auch Raum hat, eine bewusste Entscheidung zu treffen. Wir kreieren einen Raum, in dem ein Nein genauso sein darf wie ein Ja – und beide Antworten willkommen sind.
Im folgenden Artikel stelle ich dir vor, was Consent ist und beinhaltet. Ich zeige dir, warum Consent wichtig ist und welche Auswirkungen das aktive Einholen von Zustimmung auf dein Leben und das deiner Mitmenschen haben kann. Consent wird dein Leben bereichern – egal ob dein kuscheliges Leben, dein sexuelles Leben oder dein ganzes Leben. Versprochen!
Was ist Consent?
Consent, zu deutsch: Zustimmung / Einvernehmlichkeit, ist das grundlegende Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen, die eigenen Grenzen zu setzen und die Grenzen der anderen Person zu respektieren, sei es im Bezug auf sexuelle Interaktionen, andere Intimitäten oder Interaktionen im Allgemeinen.
Das Wort “Consent” kommt aus dem lateinischen und kann frei übersetzt werden mit “mit Gefühl / in sich rein fühlen”. Dies bedeutet, dass die Entscheidung ob wir etwas zustimmen oder ablehnen häufig aus einem Gefühl heraus kommt. Für einige Personen äußert sich dies in einer körperlichen Wahrnehmung (z. B. ein warmes Gefühl im Bauch / ein gutes Bauchgefühl).
„Consent is about communication, not assumption.“ – Unknown
Warum höre ich erst jetzt davon?
Weil Consent – so wichtig er ist! – leider kein Teil des Curriculums in unserem Schul- und Bildungssystem ist. Teilweise werden Hinweise wie “Du musst nichts tun, was du nicht willst.” oder “Frag, bevor du etwas tust.” von Lehrer:innen gegeben, doch nicht vermittelt, was das genau heißt, noch, wie das geht.
Mit dem Ziel, immer mehr Personen im Bereich Consent zu bilden, werden zunehmend Workshops zu dem Thema angeboten, häufig in Kombination mit praktischen Übungen, um das neue Wissen sofort praktisch anwenden zu können.
Die Aufmerksamkeit für das Thema wächst stark und auch in der Öffentlichkeit wird sich zunehmend damit auseinandergesetzt (z.B. im Kontext Nachtleben).
Wann ist Consent wichtig?
Consent ist vor allem in zwischenmenschlichen Interaktionen wichtig, sei es im Privatleben, im Berufsalltag oder bei physischer Nähe allgemein. Das umfasst nicht nur Berührungen im intimen oder sexuellen Sinne, sondern auch z.B. Begrüßungsumarmungen (Möchte ich diese Person gerade umarmen? Möchte die Person gerade umarmt werden?) oder Fotografie (Darf ich ein Foto von der Person machen? Wozu darf ich es verwenden?).
„Consent is not the absence of ’no‘, it’s the presence of an (enthusiastic) ‚yes‘.“ – Unknown
Warum ist Consent so wichtig?
Consent ermöglicht es uns, unsere Wünsche und Grenzen zu spüren und auszudrücken. Indem nichts passiert, zu dem wir nicht zugestimmt haben, schaffen wir einen Raum, in dem Personen aufeinander schauen und die eigenen, sowie fremden Wünsche und Grenzen akzeptieren und wertschätzen.
Zu lernen, dass nur die Person selbst, über den eigenen Körper bestimmt, ist ein wichtiger Schritt. Indem alle Beteiligten zustimmen, wird das Risiko, eine Grenze zu überschreiten, massiv reduziert. Gleichzeitig ermöglicht Consent herauszufinden, mit was sich alle Beteiligten wohlfühlen, was sie brauchen und was sie miteinander machen wollen.
Indem aktiv nachgefragt wird, können wir herausfinden, ob die Beteiligten auch wollen, was wir gerade machen / empfangen wollen. Wir finden heraus, ob die Person die gleichen Wünsche hat, wie wir.
Insgesamt schaffen wir durch aktives Einholen von Consent ein neues Selbstverständnis im Umgang miteinander und kreieren eine Gesellschaft, in der offen(er) mit dem Thema Berührung und Sexualität umgegangen wird
Wie kann ich Consent einholen?
Grundsätzlich gibt es zwei Varianten: verbal und nicht verbal.
Variante 1: verbal
Diese Variante ist die sicherere von beiden. Indem Fragen wie z.B.
- “Darf ich…” oder
- “Würdest du…”
gestellt werden, wird ausgedrückt, was sich eine Person wünscht. Die klare, unmissverständliche Antwort der gefragte(n) Person(en) zeigt, was sie sich wünschen und was nicht. Mögliche Antworten auf diese Fragen können sein:
- Ja, gerne / Ja, das möchte ich. / Sehr gerne. / Ich liebe es, wenn du…
- Nein, danke. / Nein, das mag ich nicht. / Ich wäre gerne alleine. / Gerade nicht, danke.
Es gilt: erst nachdem geantwortet wurde, wird gehandelt.
Variante 2: nicht – verbal
Diese Variante basiert auf Körpersignalen wie Gesichtsausdrücken und Körpersprache. Das bedeutet: Ich achte ganz genau auf die beteiligten Personen und wie sie reagieren. Diese Variante ist unsicherer als Variante 1, denn Körpersignale sind weniger einfach zu lesen, vor allem wenn es wenig Licht vor Ort gibt. Außerdem können Körpersignale auch täuschen – ein bekanntes Beispiel ist das Lächeln / Lachen aus Verzweiflung oder Scham.
Ein wichtiger Hinweis zu nicht-verbalen Signalen:
Wer auf die Zustimmung für eine bestimmte Interaktion hofft, der schaut tendenziell auch mehr nach Signalen der Zustimmung oder interpretiert Signale schneller zu den eigenen Gunsten, als wenn wir offen für ein nicht-verbales „Ja“ als auch ein nicht-verbales „Nein“ sind. Bleibe also so offen wie möglich für Signale in alle Richtungen, wenn du dich für Variante 2 entscheidest.
Im KuschelRaum leben wir die verbale Variante, um Missverständnisse zu vermeiden und das aktive Fragen zu üben. „Ich weiß doch, was der anderen Person gefällt und brauche nicht fragen“ gibt es auf Veranstaltungen des KuschelRaums nicht.
„The absence of a ’no‘ does not mean a ‚yes‘.“ – Unknown
Was braucht es, um Consent geben zu können?
FREIWILLIGKEIT
Alle Beteiligten müssen jederzeit die Freiheit haben, Ja oder Nein zu sagen. Hierbei ist wichtig, dass keine Form von Zwang, Druck oder Manipulation herrscht, sonst kann sich ein Nein sehr viel schwerer, bis hin zu unmöglich anfühlen. Besonders Einflussfaktoren wie Gruppenzwang und Hierarchie stehts im Hinterkopf zu behalten.
Wenn Druck wahrgenommen wird, gibt es mehrere Möglichkeiten, zum Beispiel:
- einen Schritt zurück zu gehen und eine Pause zu machen,
- das Gefühl zu kommunizieren: “Ich bemerke, ich fühle mich unter Druck gesetzt.” oder
- eine Übung (z.B. in einem Workshop) zu überspringen.
In jedem Falle ist es wichtig, auf sich selbst zu achten.
REVERSIBEL
Du kannst deine Meinung und Antwort jederzeit ändern.
Ja, auch nachdem ihr schon angefangen habt und ja, auch wenn ihr mittendrin seid. Du hast keine Verpflichtung, etwas zu beenden, was ihr begonnen habt. Du gibst kein Versprechen ab, was du dann durchziehst, mit dem Risiko, über deine eigenen Grenzen zu gehen.
Das heißt in der Praxis: Wenn du zugestimmt hast, eine 30 minütige Rückenmassage zu geben und nach 8 Minuten merkst, dass es sich für dich nicht mehr gut anfühlt, darfst du aufhören (und dich z.B. kurz bedanken). Genauso kann die Person, die gerade die Massage erhält die Meinung ändern und die Interaktion verfrüht beenden (z. B. weil sich die Art der Massage nicht mehr gut anfühlt oder die Vorstellung der Massage schöner war als die tatsächliche Handlung).
Auch wenn du merkst, dass sich eine sexuelle Interaktion nicht mehr gut und richtig anfühlt, darfst du jederzeit deine Meinung ändern und abbrechen oder dir eine andere Form von Kontakt, z. B. kuscheln, wünschen.
INFORMIERT
Alle Beteiligten sollen die Rahmenbedingungen kennen, zu denen sie Consent geben. Das umfasst vor allem Safe(r) Sex, den Zustand der Personen (Alkohol & Drogen), Gesundheitsrisiken / – einschränkungen, sowie Absprachen mit Partner:innen, welche ggf. nicht anwesend sind. Wichtige Fragen in dem Kontext sind:
- Sind alle Beteiligten nüchtern?
- Wie wird mit safe(r) sex und STIs umgegangen?
- Birgt die geplante Aktivität ein besonderes Gesundheitsrisiko?
- Gibt es gesundheitliche Anliegen, die für die Beteiligten wichtig zu wissen sind?
- Gibt es eine Absprache mit eine:r Partner:in, welche in dieser Situation wichtig ist, zu beachten (z.B. bzgl. Safe(r) Sex)?
EINDEUTIG
Mache nur, was du wirklich möchtest.
Nur ein Ja, ist ein Ja – und das kann sich ganz unterschiedlich anfühlen:
voller Überzeugung (“hell, yes!”), mit Neugier (“Das möchte ich ausprobieren.”) bis hin zu vorsichtig (“Lass uns das Schritt für Schritt ausprobieren”.) und all diese Varianten von einem Ja sind willkommen.
Wichtig hierbei ist: Schweigen ist kein Ja und ein Nein ist ein vollständiger Satz, der keine Begründung oder Rechtfertigung benötigt. Wenn du dir nicht sicher bist, nimm dir noch einen Moment länger Zeit oder sage erstmal Nein.
Wenn du dann doch ein Ja in dir fühlst kannst du deine Meinung ändern und nachfragen, ob die Person das immernoch machen möchte.
SPEZIFISCH
Wenn ich frage: “Darf ich dich berühren?” dann ist dies nicht sehr aussagefähig. Viele Informationen fehlen, z. B. Wo werde ich berührt werdenund wie werde ich berührt werden?
Sei bei deiner Frage so spezifisch wie möglich. Wenn du den linken Arm streicheln möchtest, frage danach: “Darf ich deinen linken Arm streicheln?” und schon weiß die gefragte Person, was du genau möchtest und kann in sich rein fühlen, ob sie das möchte.
Fragen und ein “Nein” als Antwort
Viele Personen sind es nicht gewohnt, aktiv zu fragen und gefragt zu werden, da es (noch) nicht üblich ist in unserer Gesellschaft. Unsere Grenzen und Wünsche wahrzunehmen, zu zeigen und zu kommunizieren, ist für viele ein mutiger und neuer Schritt – doch auch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Ein Ja auf eine Frage zu bekommen, kann ein wunderschönes Gefühl sein. Vorfreude kann aufkommen und gleichzeitig das Gefühl von Sicherheit, dass das, was passiert, gerade für alle Beteiligten stimmig ist.
Ein Nein wiederum kann sich im ersten Moment groß anfühlen, wird allerdings mit der Übung immer leichter. Wenn du dich traust, nach etwas zu fragen, könnte es passieren. Wenn du nicht fragst, wird es garantiert nicht passieren. Sich mit den eigenen Wünsche zu zeigen, ist ein wundervoller Schritt.
Ein Nein kann unterschiedliche Gründe haben, es kann an dir liegen, es kann allerdings auch an der Person selber liegen – z. B. weil die Person sehr müde ist. Es kann an dem Angebot selbst liegen – z.B. will die Person keinen Kuss, sondern lieber nur Hände halten, in dem Fall ist es schön, ein Gegenangebot zu machen.
Außerdem können die Gründe auch an der Situation, den Umständen, den Rahmenbedingungen liegen und somit weder mit dir noch mit der anderen Person oder dem Angebot zu tun haben – z.B. es ist sehr heiß, es regnet in Strömen.
Unabhängig von der Antwort ist ein Zeichen der Dankbarkeit, z. B. ein verbales „Dankeschön“ eine stets passende Reaktion. Wir bedanken uns, dass wir entweder die Zustimmung erhalten haben oder dafür, dass die Person auf die eigenen Grenzen aufpasst. Ein wundervoller Effekt hierbei ist, dass die Person, die geantwortet hat in der Entscheidung – egal ob Ja oder Nein – bestärkt wird.
Mache dir auch bewusst, dass dir die Person zutraut mit einem Nein umgehen zu können. Sie mutet sich dir zu.
„Wenn du nicht fragst, ist die Antwort immer Nein.“ – Betty Martin (Wheel of Consent)
Consent ist Übungssache
Consent ist Übungssache – was auch bedeutet: es wird leichter! 🙂
Ein Nein zu empfangen und zu akzeptieren – auch ohne, dass ein Grund angegeben wird – ist Übungssache. Auch hier gilt: es wird leichter!
Gleichzeitig hat ein Nein auch einen wunderschönen Nebeneffekt:
Ein Nein von einer Person zeigt, dass diese Person einerseits die eigenen Grenzen und Wünsche wahrnimmt und andererseits diese auch kommuniziert. Ein Nein baut somit auch ein Vertrauen zueinander auf, da die einer Person lernt, dass die andere Person die eigenen Grenzen setzen kann und wird. Jas fühlen sich darauf hin viel vertrauenswürdiger an und so lassen sich durch die Neins die Jas und das daran geknüpfte Erleben viel mehr genießen.
Fazit
Du darfst für dich herausfinden, wie du am liebsten fragst, welche Informationen für dich wichtig sind und welche Informationen die Beteiligten über dich/von dir wissen sollten.
Dabei kann helfen, sich im Vorhinein Gedanken zu machen, was in einer Situation (z. B. innerhalb des Events) für dich möglich ist und welche Interaktionen du ausschließt.
Jede Person hat ein eigenes Tempo bei physischen und intimen Interaktionen und durch aktives Nachfragen finden wir dieses Tempo sowie Wünsche und Grenzen heraus. Wir ermöglichen eine Erfahrung, mit der sich alle Beteiligten wohl fühlen.
Consent-Workshops: digital und in Person
Einen guten Einstieg in das Thema bietet dir der Onlineworkshop von Angeline & Rubem vom KuschelRaum. Mit Stift, Papier und eine:r Partner:in kannst du sofort loslegen. Das PDF „Workshop Consent“ dazu findest du hier.
Um tiefer in das Thema einzusteigen, mit verschiedenen Personen zu üben, sich auszutauschen und um deine Fragen zu dem Thema stellen zu können, bieten sich der Besuch eines Workshops in Präsenz an.
Sowohl bei Angeline & Rubem vom KuschelRaum Berlin als auch bei Sora vom KuschelRaum Wien kannst du einen Consent Workshop besuchen. Schau dazu einfach in den Kalender des KuschelRaums und filtere nach z.B. Ort.
Sora bietet auch Consent-Workshops auf Anfrage an. Schreibe dazu gerne ein E-Mail an Sora@kuschelraum.at.